Nur ein mobiles Werbenetzwerk zu präsentieren, das Nutzer quer durch verschiedenste Apps auf ihrem Smartphone trackt, das hat Mark Zuckerberg dann doch nicht gewagt. Um Kritikern ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen, hat der Facebook-Chef den “Anonymous Login” für Apps vorgestellt. Da sind einige Augenbrauen nach oben geschossen. Anonymer Login? Von Facebook?? Ja, meint Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf seiner Entwickler-Konferenz f8, “viele Nutzer haben Angst, den blauen Knopf zu drücken, um sich bei Diensten anzumelden. Das wollen wir ändern.” Bei Apps hätte man nun die Möglichkeit, per “Anonymous Login” eine Testrunde zu drehen, bevor man dem Dienst Zugriff auf persönliche Daten wie Name, Freundesliste, Interessen usw. gewährt. Immerhin 80 Prozent der Top 100 iPhone- und Android-Apps sollen den Facebook-Login verbaut haben, aber eben nicht alle. “Anonymous Login” soll Entwicklern wie Nutzern die Angst vor “Big Brother” Facebook nehmen.
Für das Social Network bedeutet das eine Abkehr vom bisherigen Klarnamen-Dogma. Spätestens seit den NSA-Enthüllungen ist die Angst vorm “gläsernen Menschen” omnipräsent, die wiederum vermeintlich Privacy-Apps wie Snapchat, Secret oder Whisper einen Höhenflug bescherte.
Eine Funktion, die ihren Namen nicht verdient
Doch Anonymität im eigentlichem Sinn des Wortes braucht man sich von dem neuen Login-Feature nicht erwarten, und für Nicht-Facebook-Mitglieder ist es auch nicht gedacht. Denn bei näherer Betrachtung steht “Anonymous Login” im direkten Zusammenhang mit dem mobilen Werbenetzwerk “Audience Network”, das Facebook ebenfalls vom Stapel gelassen hat. Dieses soll in den kommenden Monaten starten und funktioniert ironischerweise im Zusammenspiel mit den vermeintlichen Rivalen MoPub (Twitter), AdMob und DoubleClick (Google). Das “Audience Network” bringt Facebook-Werbung (für die Spezialisten: Banner, Full Screen und Native Ads) in fremde Apps.
Werber können so außerhalb des Social Networks Facebook-Mitglieder auf Basis ihrer Interessen, demografischen Daten und Nutzungsgewohnheiten mit ihren Botschaften erreichen. De facto bedeutet das, dass Facebook Nutzer quer durch dutzende Apps tracken will, die auf verschiedenen Geräten (Smartphone, Tablet) installiert sein können. Verhindern (“Opt-out”) kann man das, indem man unter iOS unter “Einstellungen” -> “Privatsphäre” -> “Werbung” den Schalter bei “Ad Tracking beschränken” aufdreht. Bei Android muss man in die “Google Einstellungen” (ja, das ist eine eigene App, nicht zu verwechseln mit den normalen Einstellungen) und unter “Anzeigen” die “interessensbezogenen Anzeigen deaktivieren”.
Facebook erfasst den Nutzer trotzdem
Facebook zufolge sollen zum Beispiel Game-Of-Throne-Fans besonders einfach in dem Smartphone-Game “Cut The Rope” zu finden sein. Wenn dort auf die “Game Of Thrones”-Werbung geklickt wird, zahlt der Werber einen bestimmten Betrag, den sich der App-Anbieter und Facebook zu einem derzeit noch unbekannten Revenue-Share-Schlüssel teilen. Voraussetzung dafür, dass das “Audience Network” diese Zielgruppe bei “Cut The Rope” auch finden kann, ist der dort verbaute Facebook-Login. Denn irgendwo her muss die App und Facebook ja wissen, wer da gerade spielt.
Anders als sein Name verspricht, trackt der “Anonymous Login” den Nutzer ebenfalls. “Just like Facebook Login, when people log in on one device, they can continue their experience across their other devices”, heißt es in der offiziellen Beschreibung. Und beim „anonymen“ Einloggen in eine App ist zu lesen: „Flipboard (die erste Partner-App, Anm.) may still ask for and collect info from you or your device.“ Im Klartext: Facebook als auch der App-Anbieter legen einen Datenbankeintrag über Nutzer xy an und wissen, auf welchen Geräten er welche Apps benutzt. In den Privatsphäre-Einstellungen von Facebook
wird es für Nutzer sogar einen eigenen Punkt geben, wo die “anonym” verwendeten Apps gelistet sind. Das sind wiederum wertvolle Informationen für sein Werbenetzwerk. Auch ohne Name, Adresse oder Freundesliste zu kennen, sagt eine App-Sammlung auf einem Smartphone alleine schon sehr viel über einen Menschen aus. Du benutzt Soundcloud? Dann hör’ doch mal bei Spotify rein. Du zockst “Candy Crush”? Dann spiel`mal “Pet Rescue” an. Du flirtest bei Tinder? Dann check` mal Lovoo.
Upgrade auf Facebook Login ist vorgesehen
Zudem ist der “Anonymous Login” (den man unbedingt immer unter Anführungszeichen schreiben sollte) keine dauerhafte Lösung zur App-Nutzung. Facebook will natürlich, dass man später ein Upgrade auf den bekannten Facebook-Login macht – anders können Apps oft gar nicht funktionieren bzw. kann man die App-Entwickler nicht zufriedenstellen. Die Flirt-App Tinder etwa kann mit “Anoymous Login” nie funktionieren, wie auch soll sie ohne Facebook-Daten passende Dating-Partner finden. Löblich ist da immerhin, dass Facebook dem Nutzer künftig mehr Kontrolle über die Übermittlung seiner Daten an die Apps gibt, indem es ihn entscheiden lässt, welche die App bekommen soll. Doch auch hier gibt es ein “Aber”: Weiterhin wird es Daten geben, die für die Verwendung einer App unbedingt erforderlich sind und dem Nutzer keine Wahl lassen – will er die App nutzen, dann muss er die geforderten Daten freigeben.
Im größeren Kontext betrachtet ist der “Anonymous Login” natürlich auch eine Kampfansage an die Facebook-Rivalen Twitter und Google, die ihre eigenen mobilen Ad-Netzwerke und Identifizierungssysteme (“Sign in with Twitter”, Login with Google”) betreiben. “Anonymous Login” könnte diese Schaltflächen von den Startseiten vieler Apps vertreiben und ist darüber hinaus auch eine Konkurrenz für Anmeldungen via E-Mail, die Apps erlauben, ihre ganz eigenen Communitys aufzubauen.
Wie einträglich das “Audience Network” wird, bleibt abzuwarten. In vielen Gratis-Apps (v.a. Games) werden Facebook-Ads bald auftauchen, aber sicher nicht in allen Top-Apps. Den dort stehen Facebook-Ads im Widerspruch zu anderen Geschäftsmodellen – etwa bei Spotify, wo eigene Werbung verkauft wird oder bei WhatsApp, wo es Nutzungsgebühren statt Anzeigen gibt. Das größte Hindernis aber wird die Nutzerakzeptanz sein. Wenn sich die User auf dem persönlichsten aller Geräte, dem Smartphone, von Facebook-Anzeigen verfolgt fühlen, dann werden auch bald die Datenschützer Alarm schlagen – ob “Anonymous Login” hin oder her.