Alles Apps: Ist womöglich „Mobile“ die Geheimwaffe österreichischer Start-ups?

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Das nächste große Ding kommt aus dem Bereich Local Social Mobile”, sagte Google-Vorstandsvorsitzender Eric Schmidt 2011 auf einer Konferenz in San Francisco. Irgendwo in einer Garage würde es gerade entwickelt werden, und auch er würde nur zu gerne wissen, was es ist. Heute, mehr als zwei Jahre später, haben wir Klarheit. Facebook kaufte sich Instagram um 875 Mio. Dollar, WhatsApp soll in Sachen Nutzerschaft größer als Twitter sein, und Internet-Riesen wie Google und Facebook reißen sich um Snapchat. Überhaupt: Google, Twitter und Facebook behaupten bereits von sich, “Mobile First”-Companies zu sein und Produkte mit starken Fokus auf Smartphone- und Tablet-Displays zu entwickeln. Dieser Boom hat vom Silicon Valley ausgehend, mit iPhone und Android quasi als die wichtigsten Überbringer der Botschaft, natürlich auch Österreich erfasst.

„Mobile first“ auf Österreichisch
Würde mich heute jemand fragen, was die Stärke heimischer Start-ups ist, würde ich antworten: “Mobile”. Nahezu alle Internet-Jungfirmen aus Wien und den Bundesländern, die 2013 von sich reden machten, denken bereits “Mobile first”. Speerspitze der Szene ist natürlich Runtastic aus dem oberösterreichischen Pasching, die 51 Prozent ihrer Fitness-App um viele Millionen Euro an den Verlagsriesen Axel Springer aus Berlin verkaufte und damit die Sensation des österreichischen Start-up-Jahres schaffte.

Oder die Flohmarkt-App Shpock: Anstatt die eher mittelmäßige Produktempfehlungs-Plattform Finderly weiterzuentwickeln, schwenkten ihre Gründer komplett auf die schnell wachsende Smartphone-Anwendung um und kassierten ein Millioneninvestment des norwegischen Medienkonzerns Schibsted. Oder der digitale Reiseführer Tripwolf, der bereits 2007 gegründet wurde, und statt wie damals aufs Desktop-Web heute auf Mobile setzt und heute 5 Millionen App-Downloads vorweisen kann.

In der zweiten Reihe
Die nächste Welle an Mobile-Start-ups wartet schon auf ihren großen Auftritt. Die auf Smartphone-Werbung bzw. mobile Marktforschung spezialisierten Firmen MobFox und Qriously und haben es aus Wien heraus bereits den Sprung nach London geschafft, Rublys will mit Rubbel-Gutscheinen mobiles Marketing neu erfinden. Das Location-Based-Game Senoi, quasi die Wiener Alternative zu Googles Ingress, heimste vergangene Woche gleich zwei Preise (“Content Award” und “Futurezone Award”) ein und will genauso wie die App “Story Hunter”, die Nutzer dazu bringen, die Stadt auf neuartige Weise zu erkunden. Shopikon wiederum bietet Smartphone-Shopping-Guides für sieben Metropolen wie New York, Berlin oder Barcelona, Evntogram ist ein mobiler Veranstaltungs-Führer, und Ulmon hat sich auf Offline-Städteführer spezialisiert.

Und dann gibt es sogar einige Mobile-Start-ups, die sich der Hardware verschrieben haben: Die Diabetes-App mySugr arbeitet an mobilen Blutzucker-Messgeräten, Tractive verkauft kleine Ortungsgeräte für Haustiere, und Locca (Gewinner der “hy! Berlin”) bietet GPS-Sender generell zu Auffinden von Dingen, Menschen und Tieren an. Und wer immer gerne vergessen wird: Die Grazer App-Schmiede Sonico Mobile, die mit “iTranslate”, “iTranslate Voice” oder “Languages” bereits eine ganze Reihe an erfolgreicher Sprach-Anwendungen herausgebracht hat.

Apps als eigenständige Qualität
Der Vergleich zu Berlin, dem großen Start-up-Zentrum des deutschsprachigen Raums, ist hierbei spannend. Denn viele prominente Internet-Firmen aus der deutschen Hauptstadt wie 6Wunderkinder, Outfittery, Soundcloud, Babbel, DaWanda, kaufDA, Tape.tv, Wimdu, ResearchGate, Lieferheld oder Lieferando sind nicht “Mobile first” – einmal abgesehen von Ausnahmen wie EyeEm, JustBook, Readmill oder die an Tape.TV verkaufte Location-App Amen. Auch ein Blick zu den Großen offenbart wenig Smartphone-Affinität: Im Springer-Accelerator “Plug & Play” sitzen derzeit acht Start-ups, nur zwei davon haben sich dezidiert auf “Mobile” spezialisiert (Embraase und VintageHub). Und im Portfolio des großen Berliner Internet-Inkubators Rocket Internet der Samwer-Brüder findet sich abgesehen von Mobile-Payment-Start-up Payleven wenig „Mobile”, weil stark auf eCommerce á la Zalando gesetzt wird.

Land der Smartphone-Liebhaber
Dass Österreich so stark im Mobile-Bereich ist, hat Gründe in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Bis vor wenigen Jahren war das kleine Alpenland führend im Mobilfunk, war Testmarkt der Branche, hat eine SIM-Karten-Penetrationsrate von 120 Prozent und mehr und war das erste Land, in dem gleich zwei Handy-Betreiber das iPhone anbieten konnten (während andere Länder gar keines bekamen). Ergibt unterm Strich: Österreicher sind extrem Smartphone-affin, wachsen seit Jahren damit auf. Dazu kommt, dass der wichtigste Business Angel des Landes, Hans Hansmann (investiert u.a. bei Runtastic, Shpock) ebenfalls stark auf den “Megatrend Mobile” setzt, wie er sagt – und auf seinem Schreibtisch landen wahrscheinlich alle Businesspläne, die Start-ups aus Österreich aushecken.

Ob das kleine Land etwas aus dem Trend machen kann, ob etwa die 100 Millionen Euro Fördergelder des Austria Wirtschaftsservice in “Mobile” fließen werden, ob Österreich vielleicht gar sein eigenes Instagram oder WhatsApp hervorbringt, bleibt aber noch abzuwarten. Denn das Mobile-Business mit seiner starken Location-Komponente birgt eine Gefahr: Dass man sich im Lokalen verfranst und den Blick aufs Ganze verliert. Und genau das gefällt Investoren gar nicht: Start-ups, die international nicht skalierbar sind.