Willkommen im Million Euro Start-up Club! Der Boom der österreichischen Gründerszene

Firmen wie Runtastic, Shpock, Whatchado, Zoomsquare, Codeship oder mySugr halten mittlerweile bei Bewertungen jenseits der Millionen-Euro-Grenze. Montage: Jakob Steinschaden

Wiener Start-ups haben derzeit einen Lauf: Nach der Reihe kassieren sie Investments im sechs- oder siebenstelligen Bereich ab und werden von den Risikokapitalgebern mit Millionenbewertungen bedacht. Auf dem langen, schwierigen Weg aus dem Schatten Berlins (den ich hier schon einmal beschrieben habe) ist der neue “Million Euro Start-up Club” (in Analogie zum „Billion Dollar Startup Club“ des Silicon Valley) ein wichtiger Meilenstein – vor allem auch deswegen, weil schön langsam auch die Old Economy auf die neue Branche aufmerksam wird und Kapital locker macht. Wer die Start-up-Gründer nun aber in Geldscheinen baden sieht, der denkt weit an der Realität vorbei. Aber alles der Reihe nach.

Eine Serie sondergleichen
Die Exits österreichischer Gründer von Jajah, Tupalo oder 123people, um nur einige zu nennen, sind natürlich schon einige Jahre her. Doch seit Mitte 2013 ist eine spannende Verdichtung von Investments in heimische Internet/IT/Mobile-Start-ups zu bemerken, die allesamt Millionenbewertungen  für die Jungfirmen bedeuten. Hier ein chronologischer Überblick:

Wikifolio: Die Social-Trading-Plattform erhält im Februar 2013 eine nicht bekannte Summe von Lang & Schwarz AG und SpeedInvest.

Indoo.rs: Die auf Indoor-Navigation spezialisierte Firma erhält im Februar 2013 eine hohe sechsstellige Summe von SpeedInvest, tecnet equity und Techinvest.

Qriously: Das auf mobile Marktforschung spezialisierte Start-up von Christopher Kahler, das einst im Wiener Coworking Space Sektor 5 werkte und jetzt in London sitzt, staubt im Mai 2013 ein Investment in der Höhe von 3,5 Millionen Dollar (Accel Partners, Spark Capital) ab.

Durchblicker: Die Tarifvergleichs-Plattform bekam im Juni 2013 ein Investment von etwa 2 Millionen Euro von fünf heimischen Privatinvestoren (u.a. Alfred Ötsch, Martin Scheriau, Christoph Gelbmann).

Shpock: Im August 2013 verkaufen die Flohmarkt-App-Macher 38,7 Prozent ihrer Firma Finderly an den norwegischen Medienkonzern Schibsted – um einen Millionenbetrag.

Runtastic: Die Fitness-App-Schmiede aus dem oberösterreichischen Pasching verkauft Anfang Oktober 2013 50,1 Prozent an die deutschen Medienriesen Axel Springer. Über den Kaufpreis verlieren beide Unternehmen kein Wort – man kann aber davon ausgehen, dass viele Millionen geflossen sind.

Diagnosia: Die Medikamenten-Suchmaschine für Ärzte erhält im Oktober 2013 eine Finanzierung von mehr als einer Million Euro.

meinKauf: Das Prospekt-Portal sichert sich im Oktober 2013 ein Investment des deutschen Medienhauses Vogel Business Media, as well as sowie einiger Business Angels (u.a. Michael Brehm und Florian Arnold) in der Höhe von 1,5 Millionen Euro.

CEPT Systems: Die auf Textanalyse spezialisierte Firma erhält im November 2013 1,5 Millionen Euro von Reventon B.V. (CZ) and Zirngast GmbH (AT).

Rublys: Die Rubbellos-App sahnt im Dezember 2013 in der Start-up-Show “2 Minuten 2 Millionen” 650.000 Euro Investment und musste dafür etwa 30 Prozent Firmenanteile abgeben.

Whatchado: Im Jänner 2014 geben die Gründer der Jobvideo-Plattform bekannt, dass sie fast eine Million Euro an Brigitte Ederer (Ex-Siemens), Peter Püspök (OikoCredit) und Claus Raidl (ÖNB) verkauft haben – für jeweils kleinere einstellige Firmenprozente.

Codeship: Das auf Software-Tests spezialisierte Start-up mit Büros in Wien und Boston erhielt 1,9 Millionen Euro von Sigma Prime Ventures, Boston Seed Capital, Devonshire Investors und einigen europäischen und US-amerikanischen Angel-Investoren Mitte Februar 2014.

Zoomsquare: Die Immobilien-Suchmaschine sicherte sich im Februar 2014 einen “mittleren sechsstelligen Betrag” von Ex-Styria-Vorstand Wolfgang Bretschko und Marinos Yannikos, Gründer der Preisvergleichsplattform Geizhals.

MarktGuru: Der Risikokapitalarm der ProSiebenSat.1-Gruppe, Seven Ventures Austria, schnappt sich Mitte Februar 2014 40 Prozent des Wiener Start-ups, das Prospekte aus dem Einzelhandel digitalisiert.

mySugr: Die Diabetes-App-Macher erhalten Ende Februar 2013 mehr als eine Million Euro vom Risikokapitalgeber XLHealth und der Investorengruppe Püspök – wie viel Prozent sie dafür abgeben mussten, ist nicht bekannt.

Old Economy entdeckt Start-up-Land
Das zusammengenommen bedeutet eine neue Phase der österreichischen Start-up-Szene. Waren die vergangenen Jahre vor allem von Neugründungen geprägt, schaffen es jetzt viele, Geld für ihre Ideen abseits der staatlichen Förderungen aufzustellen. Zum einen sind es Investoren aus dem Ausland (wie im Falle von Qriously, mySugr, Runtastic oder Codeship), zum anderen ist aber noch etwas Wichtiges passiert: Es investieren auch wohlhabende ÖsterreicherInnen aus der Old Economy, darunter Ex-Siemens-ÖsterreichChefin Brigitte Ederer, ÖNB-Vorsitzender Claus Raidl, Norbert Zimmermann, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Berndorf AG, Ex-Styria-Vorstand Wolfgang Bretschko oder der Banker Peter Püspök. Einige von ihnen sagen sogar selbst, dass sie nicht ganz verstehen, was die Start-ups da machen, sie ihnen aber trotzdem gerne ihr Geld geben, weil sie an die jungen Gründer glauben.

Dass die Old Economy endlich Geld für heimische Start-ups locker macht, hat viel mit der Arbeit der Austrian Angel Investors Association zu tun, die reichen Österreichern zeigen, wie und warum man in Start-ups investieren sollte. Außerdem kann man seit Herbst 2013 in Wien tatsächlich am Wiener Business Angel Institut lernen, was bei Start-up-Investments zu berücksichtigen ist. Der populäre Business Angel Hans Hansmann, der bei nahezu allen oben aufgezählten Gründungen an Bord ist, dient oftmals als Brücke zwischen New und Old Economy, indem er den Jungen die alte und den Alten die neue Welt erklärt. Eine spannende Keimzelle ist außerdem STARTeurope, die ich 2010 in Alpbach kennenlernte. Damals fand kaum ein Vertreter der Old Economy seinen Weg zu der Start-up-Initiative, heute sind die STARTeurope-Macher als Gründer des Pioneers Festival (Andreas Tschas und Jürgen Furian), Codeship (Moritz Plassnig) und mySugr (Frederik Debong) in vieler Munde.

Sehen so Millionäre aus?
Das viele Geld, dass diese und andere Gründer in den vergangenen Monaten aufgestellt haben, dient, da kann man Neider beruhigen, nicht zum Verprassen. Die Gehälter der meist zwischen zehn und zwanzig Mitarbeiter wollen einmal bezahlt werden, außerdem muss in Server, Marketing, neue Mitarbeiter etc. investiert werden – und das in einer Situation, in der die eigenen Produkte nur in den seltensten Fällen genug abwerfen, um die eigenen Ausgaben zu decken. Einige Gründer, wie sie mir erzählt haben, zahlen sich selbst bescheidene Gehälter aus, die empfindlich unter jenen ihrer Altersgenossen liegen, die in großen Firmen arbeiten. Nein, geschafft ist noch lange nichts. Jetzt heißt es durchhalten und das Business auf ein stabiles Geschäftsmodell stellen. Wer das 2014 erreicht, der hat gute Chancen, es auf die nächste Stufe zu schaffen, die da für viele heißt: Exit.

Anmerkung 1: Die Investments bei Durchblicker, Indoo.rs, Wikifolio, meinKauf und Diagnosia wurden nachträglich im Artikel ergänzt. Danke Hansi Hansmann, Oliver Holle und Renata Fourmanova für die Hinweise!

Anmerkung 2: Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn Sie ein wichtiges Investment in der Aufzählung vermissen, schreiben Sie es bitte in den Kommentaren dazu.

Das Blackphone: Die Kommerzialisierung der digitalen Privatsphäre hat begonnen

2 Ghz Quadcore, 16 GB Speicher, 2 GB RAM, 4,7 Zoll HD-Display und mit PrivatOS. © Blackphone

2 Ghz Quadcore, 16 GB Speicher, 2 GB RAM, 4,7 Zoll HD-Display, 8 MP Kamera, mit PrivatOS um 629 Dollar. © Blackphone

Privatsphäre im mobilen Zeitalter hat seit dieser Woche ein Preisschild: 629 Dollar (ca. 460 Euro, zzgl. Steuern und Versand). So viel kostet das neue, abhörsichere Blackphone, das die US-Firma Silent Circle (Software) und der spanische Hersteller Geeksphone (Hardware) Mitte 2014, also ziemlich genau ein Jahr nach den ersten Snowden-Enthüllungen, über das gemeinsame Schweizer Unternehmen Blackphone auf den Markt bringen werden. “Lass dir vom Internet nicht mehr über die Schultern schauen”, bewerben die Macher ihr Crypto-Phone, das den Nutzer bestmöglich vor Spionage aller Art schützen soll. Der Start des Blackphone bedeutet aber auch eine Zäsur: Privatsphäre ist jetzt offiziell ein Markt, der von Firmen mit Produkten zum Angreifen bedient wird.

Verschlüsselte Kommunikation ab Werk
Künftig haben Konsumenten die Wahl: Kaufe ich mir ein Smartphone mit oder ohne technisch abgesicherter Privatsphäre? Während vor allem bei günstigen Android-Handys Google über vorinstallierte Apps und Services sehr viele Daten über den Nutzer mitlesen kann, versucht das Betriebssystem PrivatOS des Blackphone, das auf Android aufbaut, genau das zu unterbinden. Der Nutzer kann installierten Apps aus Googles Play Store verbieten, auf GPS-Position, SMS oder Kontaktliste zuzugreifen – allerdings muss man dann damit rechnen, dass diese Apps nur eingeschränkt oder gar nicht mehr funktionieren. Stattdessen kann aber aber die vorinstallierten Anwendungen nutzen: Auf dem Blackphone gibt es einen integrierten VPN-Dienst, der verschlüsseltes Surfen und anonymes Suchen im Internet garantieren soll; verwirklicht wurde das gemeinsam mit der Firma Disconnect, bei der ehemalige Google- und NSA-Mitarbeiter werken (und über die ich schon einmal berichtet habe).

Außerdem bietet das Blackphone 5 GB Online-Speicher pro Monat beim Partner SpiderOak und mit “SilentText” (SMS), “SilentPhone” (Telefonie) und “SilentContacts” (Kontaktliste) verschlüsselte Möglichkeiten zur mobilen Kommunikation. Auch eine Firewall und ein smarter WiFi-Manager von Kismet ist mit an Bord, der verhindern soll, dass man sich in unsichere WLAN-Netze einloggt. “NSA-sicher” so wie es manche Medien berichten, ist das Blackphone aber nicht, wie auch Blackphone-Mitgründer Mike Janke zugibt.

Im Unterschied zu Googles Android, wo das Business-Modell darin bestehe, Data-Mining zu Marketingzwecken zu betreiben, lautet das Geschäftsmodell des Blackphone: “Delivering privacy as a premium, valued feature”. Und “Premium” ist das Blackphone, dessen Anschaffungspreis relativ moderat ausgefallen ist, mittelfristig schon. Denn um verschlüsselt kommunizieren zu können, braucht man eben die erwähnten, vorinstallierten Apps, und die kosten nach den ersten zwei Jahren Geld.

Die “Silent Circle application suite” etwa beläuft sich etwa auf 120 Dollar/Jahr, der Disconnect-Dienst kostet ebenfalls 60 Dollar/Jahr, genauso wie die fünf GB Online-Speicher bei SpiderOak (60 Dollar/Jahr) – insgesamt also etwa grob gerechnet 9 Euro/Monat zusätzlich zum Mobilfunkvertrag. Dazu kommen noch indirekte Kosten: Denn wenn man via Silent-Circle-Apps mit anderen kommunizieren will, dann brauchen diese die kostenpflichtigen Apps natürlich auch. Beim Blackphone sind deswegen immerhin drei Ein-Jahres-Gutscheine für die Services dabei, die man an Freunde und Familie verteilen soll.

Privatsphäre als Ware
So lobenswert die Blackphone-Initiative von Phil Zimmermann, der die E-Mail-Verschlüsselung PGP erfand, auch ist – Privatsphäre und Security im digitalen Mobil-Zeitalter ist spätestens mit dem Blackphone zur Premium-Ware geworden. Im Analogen finden wir das überall: Verdunkelte Autoscheiben, Hightech-Alarmanlagen, dicke Panzertüren, hohe Gartenzäune, muskelbepackte Bodyguards, der Tresor hinterm Ölgemälde – alles gegen Aufpreis erhältlich am Security-Markt für die oberen Zehntausend. Und so droht der Smartphone-Markt in eine Zweiklassengesellschaft zu zerfallen: Billige Smartphones und Services, die man großteils mit den eigenen Daten bezahlt, und kostspielige Premium-Phones und Dienste, die die eigenen Daten schützen wollen (aber auch nicht 100 Prozent Sicherheit bieten können).

Nur eine kleine, Datenschutz-bewusste Minderheit wird sich ein Blackphone zulegen, und das macht nur wenig sicherer. Denn wenn der Empfänger kein Blackphone oder Silent Circle-Dienste hat, dann hilft die teuerste Verschlüsselung nichts. Schöner wäre es, wenn einfach jedes Smartphone und jede App ausreichend Verschlüsselung und Sicherheit bietet – vielleicht gibt es dazu mal ein Gesetz?

Nach der großen Facebook-Kränkung: Die verrückte Massenauswanderung aus WhatsApp

Einfach raus hier - aber wo hin??? © WhatsApp, Threema, Telegram, Montage: Jakob Steinschaden

Einfach raus hier – aber wo hin??? © WhatsApp, Threema, Telegram, Montage: Jakob Steinschaden

Als am vergangenen Mittwoch Abend die Meldung über die WhatsApp-Übernahme durch Facebook über das Internet hereinbrach, dauerte es nicht lange, bis Online-Medien auf der ganzen Welt Listen und Test zu WhatsApp-Alternativen präsentierten – manche sinnvoll, manche weniger. Besonders Threema (kostenpflichtig) der Schweizer Kasper Systems GmbH und Telegram (kostenlos) der russischen VK-Gründer Pawel und Nikolai Durow profitierten enorm von der Trotzreaktion vieler WhatsApp-User. Threema freute sich über eine Verdopplung seiner Nutzerzahlen auf 400.000 in nur 24 Stunden, Telegram will seit WhatsApp-Ausfalls satte 5 Millionen Downloads verzeichnet haben.

Berechtigte Ängste vor der Datenkrake
Dass die rund um Datenverschlüsselung aufgebauten Messaging-Apps so regen Zulauf hatten, resultiert vor allem aus dem Reflex vieler: “Wenn sich die Datenkrake Facebook jetzt unsere WhatsApp-Chats, dann ohne mich!” Klar: Wie auch im Zuge der Instagram-Übernahme ist davon auszugehen, dass Facebook Daten von Nutzern seiner neuen Tochterfirma mit bestehenden Facebook-Profilen kombiniert, um so ein schärferes (und besser vermarktbares) Bild von den Usern zu erhalten. Wenn es schon keine Werbung direkt in WhatsApp geben soll – in anderen Apps könnte Facebook den Nutzern dann aber shr wohl personalisierte Ads präsentieren. Das große Unbehagen gegenüber dem neuen WhatsApp-Eigentümer (nun ja, Fast-Eigentümer, die Wettbewerbshüter müssen den Deal noch absegnen) resultierte also in einem Boom der Alternativ-Apps, der allerdings relativ zu sehen ist: Denn pro Tag legt WhatsApp weltweit um eine Million Nutzer zu.

Nur Downloaden reicht (wie immer) nicht
Doch zwischen Download und Nutzung ist ein großer Unterschied, wie auch ich feststellen musste. Schon in der Nacht auf Donnerstag begannen Bekannte (ironischerweise auf WhatsApp) zu schreiben, wo man denn nun fortan privat chatten solle. Die Wahl fiel schnell auf Threema – nicht zuletzt deswegen, weil viele Medien die Schweizer App ob ihrer Sicherheits-Features lobten. Also entschieden sich eine Handvoll Freunde, sich Threema zu kaufen – und sofort begannen die ersten Troubles. Leute fanden nicht sofort zueinander, weil Threema seinen Usern eigene IDs zuteilte und nicht jeder gleich sein Adressbuch synchronisierte; andere mockierten sich über die fehlende Möglichkeit, sich selbst ein eindeutiges Profilbild zuteilen zu können; und wieder andere konnten Threema gar nicht installieren, weil sie zwar ein Android-Smartphone, aber keines mit der erforderlichen Version 4.0 oder höher hatten. Schließlich gab es auch Kritik am Logo, und ja, das ist ebenfalls relevant: Menschen legen auch auf App-Icons wert, die den Look ihres Allerheiligsten (das Smartphone) mitprägen und sie jeden Tag anschauen müssen. Und: Befreundete Nutzer auf der anderen Seite des Planeten kratzte die Diskussion über den Umstieg, die offenbar vor allem im Datenschutz-affinen Mitteleuropa geführt wird, überhaupt nicht – und whatsappen munter weiter.

…und am Ende gewinnt dann doch WhatsApp
Während nun der Freundeskreis damit kämpfte, seinen Weg von A (WhatsApp) nach B (Threema) zu finden, ging plötzlich die nächste Welle, diesmal mit Telegram, los. Vor allem ausgelöst durch das WhatsApp-Blackout am Samstag, installierten sich offenbar 100 Nutzer pro Sekunde die russische Messaging-App, bei der aber nicht ganz klar ist, ob sie wirklich so sicher ist, wie die Entwickler behaupten – was dann wiederum die auf Sicherheit Bedachten davon abhielt, auf Telegram zu wechseln. Und so findet man folgende Situation auf vielen Smartphones: Im Messaging-App-Ordner liegen nun Threema und/oder Telegram schön Seite an Seite neben WhatsApp, und wen man jetzt am besten wo erreicht, weiß man nicht so recht. WhatsApp will man vorerst auch nicht deinstallieren, solange nicht endlich alle Freunde auf eine Alternative gewechselt sind. Nein, Mark Zuckerberg und WhatsApp-Gründer Jan Koum müssen keine Angst haben, dass ihnen künftig die Messaging-Nutzer weglaufen. Und wenn ja: Facebook kann Threema und Telegram dann immer noch einen Haufen Geld für die Übernahme anbieten.

Whisper & Secret: Sollten wir diesen Apps wirklich unsere Geheimnisse flüstern?

Die iPhone-App Secret. © Secret.ly

Die iPhone-App Secret. © Secret Inc.

Vielleicht ist es Facebook, vielleicht ist es die NSA, wahrscheinlich sind es beide zusammen: Angebot als auch Nachfrage nach Privatsphäre und Anonymität berücksichtigenden Internet-Angeboten steigt (wie ich schon einmal hier beschrieben habe). Das sind Google-Alternativen wie DuckDuckGo oder Startpage, Verschlüsselungs-Dienste wie PGP oder TOR – oder neuerdings Smartphone-Apps, die den Nutzern Anonymität versprechen, damit sie so offen wie nirgendwo sonst online sprechen können. Die beiden derzeit populärsten sind Secret (gratis für iPhone) und Whisper (gratis für iPhone und Android).

Whisper: Vertrauliches ausplaudern
“My girlfriend wants me to pretend to break into her house and rape her.” “He broke up with me on Valentine`s Day, the day I was going to announce my pregnancy.” “When I look at porn I tend to stare at the female. Does that make me a lesbian?” Nein, solche Postings liest man bei Facebook, wo Hurra-Meldungen und schöne Urlaubsfotos dominieren, eher nicht. In der Smartphone-App Whisper aber findet man unzählige solcher Status-Updates. Wer sie geschrieben hat, erfährt man in der Regel aber nicht – denn die App will es den Nutzern ermöglichen, anonym oder unter einem Decknamen zu schreiben. So soll ein Social Network entstehen, in dem die Nutzer frei von sozialem Druck ihre ehrliche Meinung veröffentlichen können, quasi ein virtueller Beichtstuhl. Allerdings einer, bei dem Millionen mitlesen und auch antworten können. Per Chat oder Direktnachricht kann man den anderen Tipps, Ratschläge, Beileid oder auch Häme zukommen lassen. In den USA ist Whisper bei Teenies mittlerweile so populär, dass sich Risikokapitalgeber darum reißen, bei der dahinter stehenden Firma WhisperText LLC von Michael Heyward und Brad Brooks investieren zu dürfen. Gerüchten zufolge soll die App bereits auf 100 Millionen Dollar Marktwert geschätzt werden und pro Monat 2,5 Milliarden Page Views verzeichnen.

Secret: Unerkannt ausplaudern
Während es bei Whisper stark um die Vernetzung zu Fremden geht, dreht sich die App Secret darum, anonym Gedanken mit Bekannten zu teilen. Statusmeldungen wie “My hair looks best when I don´t wash it for two days”, “Sometimes I feel alone, even when I´m with people who love me.” oder “When I see happy couples, I can´t help but want what they have.” werden anonymisiert an Kontakte aus dem Smartphone-Adressbuch geschickt, die ebenfalls Secret installiert haben – wer hinter den Postings steckt, bleibt geheim. „Wir haben Secret entwickelt, damit Menschen wieder ehrlich zu sich selbst sein können“, schreiben die Macher Chrys Bader und David Byttow, die zuvor bei Google, Square oder Medium tätig waren. Wie auch bei Whisper sind Venture-Kapitalisten schnell hellhörig geworden: 1,3 Millionen US-Dollar investierten große Namen wie Kleiner Perkins und Google Ventures in Secret.

Die Whisper-App für iPhone und Android. © WhisperText LLC

Die Whisper-App für iPhone und Android. © WhisperText LLC

Geheimnisse als Business
Doch wie anonym sind diese beiden neuen Apps wirklich? Soll man ihnen tatsächlich seine dunkelsten Geheimnisse anvertrauen? Bei Whisper etwa wird sehr wohl die IP-Adresse der Nutzer mitgespeichert, wie Forbes schreibt: Diese wird etwa dafür verwendet, um Trolle sperren zu können, kann aber im Falle des Falles auch an Behörden weiter gegeben werden. Außerdem läuft die Kommunikation von Whisper über die Server von TigerText, weil deren Programmierschnittstelle (API) genutzt wird. Und schließlich arbeitet seit kurzem auch der Blogger Neetzan Zimmerman für die App. Seine Aufgabe ist es, die Posts der Nutzer möglichst viral über Facebook, Twitter und Konsorten im Social Web zu streuen. Immerhin soll mit der App einmal Geld verdient werden, und dann werden zudem Werbe-Netzwerke ins Spiel kommen, die ebenfalls an Nutzerdaten kommen werden wollen. Bei Secret, wo man sich per E-Mail-Adresse anmeldet, sieht es ähnlich aus. Zwar betonen die Macher in einem Blog-Eintrag den technischen Aufwand, den sie zur Anonymisierung der Nutzer betreiben, doch in den Nutzungsbedingungen liest man Gegenteiliges: Die App liest etwa die UDID-Nummer oder die GPS-Position des Smartphones mit, außerdem werde Tracking-Pixel verwendet, um das Nutzungsverhalten zu analysieren.

Wer also seine Geheimnisse den beiden Apps flüstert, sollte nicht von 100-prozentiger Anonymität ausgehen. Gegenüber den anderen Nutzern mag man maskiert bleiben – doch Behörden oder Cyberkriminelle könnten die Identität der User feststellen. Ein großes Problem der Anonymität in diesen Apps ist zudem, dass im Prinzip jeder hineinschreiben kann, was er will – ob die Posts einen wahren Kern haben, wird man nie erfahren. Die Betreiber profitieren in jedem Fall, weil die Postings um Aufmerksamkeit heischen wie nur wenig andere Internet-Angebote – Aufmerksamkeit ist im Netz viel Geld wert. Und außerdem: Definiert sich ein Geheimnis nicht genau dadurch, dass man gegenüber anderen möglichst kein Wort darüber verliert?

Edel-Taxi per App: 3 Dinge, die Start-ups vom Uber-Launch in Wien lernen können

Uber-Chaffeure samt Edelkutsche lassen sich per Smartphone App ordern und bewerten. © Uber

Uber-Chaffeure samt Edelkutsche lassen sich per Smartphone App ordern und bewerten. © Uber

Das Start-up Uber ist in den USA bereits ein großer Hit und seit dieser Woche auch in Wien verfügbar. Nutzer können per Smartphone-App (für iPhone, Android, BlackBerry) einen Chaffeur samt Edel-Limousine an die Haustür bestellen und sich auf besonders noble Art und Weise von A nach B kutschieren lassen. In Wien kostet eine Fahrt vom Stephansplatz zum Flughafen Schwechat etwa 50 Euro. Das ist zwar spürbar teurer als ein Taxi, aber gar nicht so kostspielig, wie man vorher vielleicht gedacht hat. In Übersee ist Uber bei der Upper Class, Prominenten und Business-Kunden, aber auch bei Leuten, die sich mal ein wenig Luxus leisten wollen, ziemlich populär. So populär, dass das 2009 in San Francisco gegründete Start-up in US-Risikokapitalgeber-Manier bereits auf bis zu vier Milliarden Dollar bewertet wird, und das bei einem Jahresumsatz von angeblich 213 Millionen Dollar im Vorjahr, von Gewinn gar nicht zu reden.

Aus Sicht der weiter boomenden, österreichischen Start-up-Szene ist der Uber-Launch in Wien, zu dem es bereits seit Monaten Gerüchte gab, sehr spannend. Denn junge Internet-Firmen können bei Uber hautnah miterleben, wie ein US-Start-up sein Business ohne Zögern und Ängste (z.B. vor den hiesigen Taxiinnungen) schnell internationalisiert.

1. Brachliegende Ressourcen digital zugänglich machen
Uber gehört zu jenen Start-ups, die eine Nische für sich entdeckt hat, an die kaum jemand sonst gedacht hat. In jeder größeren Stadt auf dieser Welt gibt es viele kleine Limousinen-Services, aber wer kennt schon eine Telefonnummer, wo er sich einen Chaffeur mit Nobelkarosse bestellen kann? Glaubt man Uber, dann kämpfen diese Firmen oft mit geringer Auslastung und langen Stehzeiten. Uber hat dieses schlummernde Potenzial, sich im Analogen kaum erschließen lässt, erkannt, und macht es einfach über eine Smartphone-App digital für die breite Masse zugänglich. Plötzlich sieht der Nutzer kleine schwarze Limousinen-Symbole auf seiner digitalen Landkarte herumfahren, die er mit einem Klick buchen kann – früher wunderte man sich maximal, welcher Neureiche sich da wohl gerade herumkutschieren lässt, wenn man eine Limo auf der Straße sah. Der Unterkunft-Marktplatz AirBnB funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip: Weltweit gibt es Millionen leerstehende Zimmer und schlecht ausgebuchte Wohnungen, die man nur mit viel Mühe aufspüren konnte. AirBnB setzt sich jetzt als digitaler Vermittler zwischen Vermieter und Urlauber und stellt den Kontakt her. Hier liegt auch der zu hebende Schatz: Die Vermittlung, die AirBnB und Uber leisten, ist einige Prozent dies Mietpreises wert.

2. Lokalisierung so einfach wie möglich machen
Als erster Journalist durfte ich diese Woche das derzeitige Wiener Uber-Team – Patrick Studener (International Launcher), Johannes Wesemann (General Manager Wien) und Romy Zöllner (Community Manager Wien) – kennenlernen. Besonders fasziniert hat mich, wie extrem schnell und mit minimalem Personalaufwand sich Uber einen neuen, sehr wichtigen Markt (Wien ist immerhin die zweitgrößte deutschsprachige Stadt und wird ständig zur lebenswertesten Metropole der Welt gekürt) erschließt. Beim Treffen am Dienstag konnten mir Studener und Wesemann noch keine Preise nennen, weil sie die erst für den Start am späten Mittwoch Nachmittag (!) festlegen mussten. Dass das Dreier-Team, das übrigens noch Verstärkung sucht, so schnell am Wiener Markt launchen kann, hat natürlich damit zu tun, dass die Zentrale in San Francisco vorgesorgt hat. Smartphone-Apps, Webseite, Abrechnungssystem via Kreditkarte und Algorithmus, der die Fahrpreise anhand von Angebot und Nachfrage errechnet, sind bereits vorhanden. Auch die Vorgaben, die Fahrer und Autos zur Qualitätssicherung einhalten müssen, sind mit Sicherheit zentral geregelt. Vor Ort müssen im Prinzip “nur” (ich weiß, ist genug Arbeit) die Deals mit den Limousinen-Firmen ausgehandelt, Blog-Einträge mit Lokalkolorit verfasst, Community-Managment gemacht und Kontakte zu Medien hergestellt werden.

3. Empfehlungen so attraktiv wie möglich machen
Start-up-Gründer – oder wenn sie sich welche leisten können, ihre Marketing-Verantwortlichen – wissen ganz genau: Das Werbe-Budget tendiert gegen Null Cent, und für Werbespots, Plakate und Google-Werbung gibt es kaum Geld. Start-ups wie KochAbo, wo jeder verdiente Euro in Werbung gesteckt wird, sind eher die Ausnahme, die Mehrheit verlässt sich lieber auf virale Empfehlungseffekte. Share-Buttons auf Webseite und in Apps, Facebook-Pages und Tweets sind da aber nicht genug. Auf den Like-Button zu klicken, bringt dem Nutzer kaum Mehrwert. Uber hat deswegen gleich zum Start eine Rabatt-Aktion direkt in die App eingebaut: Per Aktionscode kann man Freunde via Facebook, Twitter, SMS und E-Mail zu Uber einladen, die 20 Euro Rabatt bei der ersten Fahrt bekommen. Wenn sie den Code tatsächlich einlösen, bekommt man selbst ebenfalls 20 Euro gutgeschrieben – beide profitieren von der Empfehlung. Auch Dropbox ist ohne klassische Werbe-Kampagnen groß geworden und hat die Freundesempfehlungen mit kostenlosem Gratis-Speicherplatz belohnt.

P.S.: Wer sich bei seiner ersten Uber-Fahrt 20 Euro sparen will, kann meinen Aktions-Code fuzgk benutzen.

Ich wollte www.jakkse.com heute offiziell vorstellen, aber dieser Russe war schneller

Jakkse.com_Russe

Es ist eine dieser Geschichten, für die ich das Internet liebe: Da bereitet man monatelang seinen neuen Blog vor, testet herum, plant einen offiziellen Launchtermin – und plötzlich poppt ein Foto am Bildschirm auf, auf dem man genau diesen seinen neuen Blog zu sehen bekommt. „WTF!!!“ schießt es einem in Internetsprache durch den Kopf, wie geht denn das??? Also: Der junge Herr auf dem Foto hier ist Андрей Отинов (Andrey Otinof), ein IT-Consultant aus der westsibirischen Stadt Kemerowo. Er hat vor ein paar Jahren die russische Übersetzung meines Buchs „Phänomen Facebook“ gekauft und folgt meiner Facebook-Seite www.facebook.com/jakkse, die ich eigentlich auch noch nicht so richtig kommuniziert habe. Dort hat Andrey einen Link zu www.jakkse.com gesehen, den ich testweise gepostet habe, und der hat ihm offenbar gefallen. Das war am 4. Februar – jenem Tag, an dem Facebook seinen 10. Geburtstag feierte, und Andrey hielt an diesem Tag in Kemerowo einen Vortrag über Facebook und Social Media Marketing, und zur Bebilderung seines Vortrags schnappte er sich einen Screenshot von www.jakkse.com. Voilà, und so wurde mein neuer Blog auf wundersame Weise zuerst mitten in Russland öffentlich präsentiert! Danke Andrey!

Mein alter Blog Digital Sirocco wird natürlich weiterlaufen und Artikel von jakkse.com featuren, www.phaenomenfacebook.com wird mit Mitte 2014 eingestellt. So, und nun zur eigentlichen Vorstellung von www.jakkse.com und ein paar erklärenden Worten, warum die Webseite so aussieht wie sie aussieht:

Design: Inspiriert von den Besten
Umgesetzt wurde dieser WordPress-Blog von Thomas Pfeiffer von den Münchner Webevangelisten, der nicht umsonst den schönen Twitternamen @codeispoetry trägt. Das Design (natürlich “Responsive”) ist einerseits inspiriert von Richard Gutjahrs Blog www.gutjahr.biz, für den ebenfalls Thomas verantwortlich zeichnet, sowie von ganz klaren Internet-Trends: Große, ansprechende Bilder, lange aussagekräftige Headlines, angenehme Spaltenbreite für den Text, schnelle Ladezeiten. Lange haben wir hin- und herüberlegt, ob es überhaupt die rechte Spalte braucht – ich habe mich dann doch dafür entschieden, um der Webseite ein (mein) Gesicht geben zu können und meine zwei Babys, “Phänomen Facebook” und “Digitaler Frühling” präsentieren zu können – vielleicht kommt ja auch mal ein drittes Buch dazu. Ein großes Danke an dieser Stelle an Thomas für seine Zeit und Geduld beim E-Mail-Ping-Pong und dem Anpassen des Responsive Designs auf verschiedene Dislay-Größen!

Jakkse_Mobile

Mobile: Der ganze Fokus auf den Content
Smartphone-User und Besitzer kleinerer Tablets wie dem iPad mini landen beim Ansurfen von www.jakkse.com automatisch auf der mobilen Ansicht. Auch hier wurde auf das Wichtigste reduziert: Bild, gut lesbarer Text, via Logo oben ein Link zur Startseite, unten die Kommentar-Funktion, fertig. Die mobile Startseite selbst fokussiert ganz stark auf den Content: Große Fotos im Feed zum Durchscrollen nach unten, am Ende noch ein Hinweis auf meine Bücher und aufs verpflichtende Impressum, fertig.

Logo: Klares Schwarz-Weiß
Die Schlichtheit des Logo und des Thumbnail mit dem “J”, das ich auch als Symbol in den sozialen Netzwerken verwendet, verbergen, wie viele Stunden Arbeit in ihnen stecken. Denn kreiert wurden sie von meinem guten Freund Michael Ristl, der als Art Director bei Jung von Matt/Donau weiß, was er macht. Vielen Dank an dieser Stelle an ihn – die nächsten paar Biere gehen auf mich!

Jakkse_iPad

Social: Dezenter Einsatz von Sharing-Funktionen
Als Blogger ist man auf Traffic, der von Social-Media-Seiten kommt, stark angewiesen – in meinem Fall sind das natürlich Facebook, Twitter und zu einem nicht zu unterschätzenden Anteil Tumblr und Google+. Deswegen gibt es für alle, die die Artikel teilen möchten, das mittlerweile klassische Dreiergespann Like-Button, Tweet-Button und Google+-Button unter der Headline. Auch Widgets von Facebook oder Twitter, die gerne in der rechten Spalte auf Webseiten eingebettet werden, habe ich absichtlich verzichtet. Wer mir folgen möchte, findet dazu die entsprechenden Follow- und Like-Knöpfe in der Kopfzeile, die übrigens genau deswegen nicht wegscrollt – oder zapft ganz klassisch den RSS-Feed an. Wie auch in den Datenschutzbestimmungen beschrieben steht, verwendet dieser Blog auch Google Analytics, damit ich einen ungefähren Überblick darüber habe, welche Artikel wo und wann gut ankommen. Wer auf die Integration von Facebook, Google und Twitter im Netz generell pfeifft, der sollte sich das Browser-Plugin Disconnect installieren, das diese Buttons und Datenverbindungen blockt (wird von Ex-Google- und Ex-NSA-Mitarbeitern gemacht).

Kommentare: Auch Nicknames sind erlaubt
Bei der Kommentarfunktion setzt www.jakkse.com nicht auf ein externes Social-Login-System wie Disqus, sondern eines, das auch meiner eigenen Domain liegt. Wer seinen Senf dazugeben möchte, kann das einfach mit der Angabe eines Namens – ja, auch Nicknames sind erlaubt – und einer eMail-Adresse tun, oder sich per Facebook, Twitter, OpenID oder WordPress-ID zum Kommentieren einloggen. Bin gespannt auch eure Kommentare – deswegen gleich mal die erste Frage:

Wie gefällt euch www.jakkse.com?

Tinder: Die Flirt-App, die mit Quickies lockt und deinen Daten schöne Augen macht

Die TInder-App matcht Flirt-Willige. © Jakob Steinschaden

Die TInder-App matcht Flirt-Willige. © Jakob Steinschaden

Dating, Flirten, Quickies – das Thema Sex ist auch nach tausend und einer Single-Plattform so heiß, dass man eine kleine App wie Tinder schnell groß machen kann. Reduziert aufs Wesentliche, kann man mit der kostenlosen Smartphone-Anwendung schnell und einfach Flirt-Willige in der eigenen Umgebung finden, tritt aber gleichzeitig ziemlich viele Rechte an seinen Daten ab. Der altbekannte Deal also.

“Googeln”, “twittern” und “facebooken” haben es sich schon länger im Deutschen gemütlich gemacht, und jetzt schickt sich ein neues Zeitwort an, sich in unserer Alltagssprache festzusetzen: “tindern”. Dieses Wort benutzen bereits einige junge Menschen in Deutschland und Österreich, wenn sie am Smartphone nach einem schnellen Flirt suchen. Die passende App dazu heißt logischerweise Tinder und ist kostenlos für iPhone und Android erhältlich. Sie funktioniert denkbar einfach und ist genau deswegen so raffiniert: Man loggt sich per Facebook ein (eine andere Möglichkeit gibt es nicht), überträgt damit Daten wie Name, Profilbild, Alter Geschlecht und Interessen (“Likes”) in die App, gibt an, an welchem Geschlecht (ja, Tinder funktioniert anders als “Bang with Friends” auch für Homosexuelle), welcher Altersgruppe und welchem Aufenthaltsort (z.B. 22 bis 30-Jährige im Umkreis von 20 Kilometern) man interessiert ist, und los geht´s. Tinder präsentiert nach wenigen Sekunden das erste Mitgliederprofil, das den angegebenen Kriterien entspricht.

Per „Double Opt-in“ zum schnellen Sex
Der digitale Flirt kann aber nur dann beginnen, wenn beide Tinder-Nutzer gegenseitiges Interesse bekunden. Und das geht so: Die App lässt den Nutzer durch eine schier endlose Reihe an Profilen blättern und diese positiv (“Liked”) oder negativ (“Nope”) bewerten – man wischt das präsentierte Profilbild dazu am Touchscreen einfach nach links (“Nope”) oder rechts (“Liked”). Wenn Tinder nun zwei Nutzer findet, die sich gegenseitig liken (ein so genannter “double opt-in”), dann poppt ein “It´s a Match!” am Bildschirm auf, und erst jetzt können sie ihren Flirt per Direktnachrichten beginnen. Was sich die User da so schreiben, kann man auf Tumblr-Blogs wie “Teach Me Hot To Tinder”, “How To Lose A Guy In One Tinder” oder “Tinderlove” nachlesen. Außerdem soll es bereits Tinder-Saufspiele geben, bei denen man einen Schnaps trinken muss, wenn man einen “Match” schafft – allesamt Anzeichen, dass sich die App immer stärker im Alltag junger Menschen verwurzelt.

Das Raffinierte an Tinder ist, dass die Flirtpartner-Suche in wenigen Augenblicken startklar ist – langwieriges Ausfüllen von Interessensprofilen wie bei anderen Portalen gibt es hier nicht. alles ist auf eine möglichst spartanische Mobile-Experience getrimmt. Wer unbedingt will, kann sein Profil noch mit bis zu sechs Fotos und einem maximal 500 Zeichen langen Text aufpolieren. Verboten ist aus Sicherheitsgründen übrigens, Nachnamen, Telefonnumern, E-Mail-Adressen oder Postadressen anzugeben. Interessen (= Facebook-Likes) bekommen die anderen Nutzer nur zu sehen, wenn sich die “Gefällt mir”-Angaben mit ihren eigenen decken. Insgesamt geht es bei Tinder also anders als bei anderen Flirt-Börsen sehr stark um Äußerlichkeiten – wenn das Profil nicht gefällt, wird es von den Nutzern sofort weggewischt. Tinder hat deswegen den Ruf, gut für Quickies zu funktionieren, aber eher weniger, wenn es um die Befriedigung von Hochzeitswünschen geht. Angaben des Facebook App Center zufolge hat Tinder fünf Millionen aktive Nutzer, Tinder-Gründer sprach im November 2013 gegenüber Techcrunch von 4 Millionen Matches und 400 Millionen Swipes pro Tag.

Wie viel aktive Nutzer Tinder nun hat, ist derzeit nicht konkret zu erfahren – es sind jedenfalls genug, um z.B. im Raum Wien genug Profile von Nutzern zwischen 20 und 35 präsentieren zu können – sogar einige Plus-40-Nutzer sind dabei (Mindestalter ist 13 wie bei Facebook, 55 ist das Höchstalter).

Liebe schützt nicht vor Daten-Gier
Soweit zum spaßigen Teil der Geschichte. Ernster wird es, wenn man sich die Nutzungsbedingungen des App-Anbieters aus West Hollywood durchliest. Tinder behält sich vor, Background-Checks der Nutzer zu machen (z.B. Abgleich mit Datenbanken zu Sexualstraftätern) und sämtlichen Content (also auch die Direktnachrichten) überwachen zu können. Die Macher weisen auch jegliche Schuld von sich, sollte ein Nutzer im Zuge von Offline-Treffen zu Schaden (physisch oder emotional). Auch Coypright-Probleme (z.B. wenn Nutzer urheberrechtlich geschützte Fotos hochladen) schwanen dem Unternehmen, das einen eigenen Copyright-Agenten beschäftigt.

Selbst geht das Unternehmen nicht zimperlich mit den Nutzerdaten um. Denn diese geben Tinder und seinen Mutter- und Tochterunternehmen (dazu unten mehr) mit dem ersten Login das weltweite, unbefristete, unwiderrufliche, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenzrecht Recht, den eigenen Content (also in erster Linie die Fotos, aber auch persönliche Daten wie Alter, Name, Geschlecht und Wohnort) zu kopieren, zu übertragen, zu verbreiten, öffentlich aufzuführen und in künftigen Web-Diensten anzuzeigen und von den Inhalten Derivate erstellen zu dürfen. Tinder räumt sich also im Prinzip die gleichen Rechte für den Nutzer-Content ein wie die Facebook-Tochter Instagram, die genau dafür scharf kritisiert wurde, weil Nutzer Angst hatten, dass die Foto-App ihre Bilder verkaufen würde. Außerdem erlaubt sich Tinder, die Nutzerdaten an Werbeunternehmen und Analyse-Firmen weiterzugeben. Immerhin werden bereits so genannte Native Ads zwischen die Profile gemischt, damit Werber die jungen Nutzer am Smartphone z.B. mit Gutscheinen versorgen können. Wer die App verwendet, muss sich außerdem darauf gefasst machen, dass die ID-Nummer des eigenen Smartphones, das Nutzungsverhalten (Zeit, Klicks etc.), GPS-Koordinaten und natürlich die persönlichen Informationen auf Servern in den USA gespeichert werden und damit bekannterweise einfach von der NSA durchsucht werden können.

Die eigenen Daten können aber nicht nur zur NSA, sondern auch zum Mehrheitseigentümer von Tinder fließen – die New Yorker Internet-Firma IAC/InterActiveCorp. Dieser gehören neben Vimeo und CollegeHumor vor allem die Daten-Portale Match.com, Meetic, OkCupid, Chemistry.com und PeopleMedia. Tinder ist also nicht unbedingt ein kleines, cooles Start-up, sondern kann sich wohl mit Hilfe des Know-how des Eigentümers derzeit gegen Konkurrenten wie HotorNot oder Badoo durchsetzen.

10 Jahre Facebook: Was das Social Network von Mark Zuckerberg alles NICHT verändert hat

210,6 Milliarden Facebook-Freundschaften umspannen heute den Globus. © Facebook

210,6 Milliarden Facebook-Freundschaften umspannen heute den Globus. © Facebook

Heute, am 4. Februar 2014, wird Facebook zehn Jahre alt. Anlass für viele Medien, zurückzublicken und große Storys über die weltverändernden Dinge zu schreiben, die Mark Zuckerberg zu Wege gebracht hat. Und natürlich muss man festhalten: Das Social Network hat großen Einfluss auf unsere Online-Kommunikation, auf unseren Nachrichten-Konsum auf unsere Privatsphäre und darauf wie Unternehmen Werbung machen und Politiker zum und mit dem Volke sprechen. Doch man muss auch einen Schritt zurückmachen und sich fragen: Was hat Facebook alles nicht verändert?

1. Die Privatsphäre abgeschafft? Nein.
“Facebook schafft die Privatsphäre ab”, lautet ein Standsatz, und Facebook-Gründer Zuckerberg meinte einst, dass Privatsphäre heute nicht mehr der “sozialen Norm” entspreche. Das ist nicht eingetreten. Spätestens mit dem Bekanntwerden der NSA-Überwachung ist das Bedürfnis nach Datenschutz und Privatsphäre gewachsen: Laut BITKOM-Studie haben sich 82 Prozent aller aktiven Facebook-Nutzer mit den Privatsphäre-Einstellungen ihres Netzwerks beschäftigt, 69 Prozent haben diese auch verändert (unter den 14- bis 29-Jährigen sogar 90 bzw. 77 Prozent). Die wichtigste technische Funktion ist für die Befragten (93 Prozent) das vollständige Löschen von persönlichen Daten. Zudem sprechen Forscher bereits vom so genannten “Chilling Effect”: Internetnutzer zensieren sich gewissermaßen selbst und stellen weniger online als früher. Parallel dazu sehen wir den rasanten Aufstieg der beiden Smartphone-Apps WhatsApp und Snapchat: Erstere erlaubt das Sharen von Informationen in kleinen Gruppen, zweitere hat eine Selbstzerstörungsfunktion für verschickte Bilder und Videos verbaut. Insgesamt gibt es also trotz Facebook ein großes Verlangen nach Privatsphäre – wobei immer zu bedenken ist, dass digitale Tools im NSA-Zeitalter oft nur eine gefühlte Privatsphäre und keine echte bieten können.

2. Den Arabische Frühling ausgelöst? Sicher nicht alleine.
Auch vier Jahre nach den Volksaufständen in Tunesien und Ägypten liest man immer wieder noch von einer vermeintlichen “Facebook-Revolution”. Damit misst man dem Online-Netzwerk aber eine zu bedeutende Rolle zu – denn schließlich waren es die Ägypter und Tunesier selbst, die auf die Straße gingen, und E-Mail, SMS, YouTube und Twitter sowie Flugzettel, Blogs und Word Of Mouth darf man auch nicht vergessen. “It’s not a Facebook thing, it’s an Internet thing”, sagte selbst Mark Zuckerberg im Rahmen des e-G8 Internet Forum über den Arabischen Frühling. Außerdem war Facebook nicht unbedingt hilfreich, weil man Wael Ghonim, einem der Betreiber der Facebook-Seite “We All Are Khaled Said”, kein Pseudonym zum Schutz seiner Identität vor den Schergen Mubaraks zugestehen wollte.

3. Die eMail abgelöst? Nope.
David Kirkpatrick, Autor des Buches “The Facebook Effect”, war in einem Interview mit mir 2009 felsenfest davon überzeugt, dass Facebook die E-Mail obsolet machen wird. Im November 2010 ermöglichte die Firma dann jedem Mitglied, eine E-Mail-Adresse nach dem Schema max.mustermann@facebook.com anlegen zu können – was einige Beobachter im Silicon Valley dazu verleitete, das Feature als “Gmail-Killer” zu bezeichnen. Schnellvorlauf ins Jahr 2014: Um mich bei Facebook einzuloggen, brauche ich immer noch meine alte E-Mail-Adresse. Und Du?

So hat das Online-netzwerk einst ausgesehen. © Facebook

So hat das Online-netzwerk einst ausgesehen. © Facebook

4. Die Vorherrschaft von Google gebrochen? Noch lange nicht.
Die Facebook-Macher sind seit ihrer Ankunft im Silicon Valley von einem Ziel getrieben: Google zu schlagen. Man wollte das gesamte Web mit einem “social layer” überziehen und grundlegend die Art und Weise verändern, wie Menschen an Informationen gelangen. Allerdings googeln die Menschen heute immer noch (ca. 3 Milliarden Mal pro Tag), während Mark Zuckerberg kürzlich eingestehen musste, dass die hauseigene Suchfunktion Graph Search nicht einmal in der Hälfte aller Fälle funktioniere. Gegen Google mit einem Jahresumsatz von 55,5 Milliarden US-Dollar 2013 nimmt sich Facebooks Umsatz im Vorjahr mit 7,87 Mrd. US-Dollar vergleichsweise klein aus. Auch im Mobile-Bereich geht das Gros der Werbegelder an Google und nicht an Facebook, das immerhin mehr als 50 Prozent seines Umsatzes auf Smartphones und Tablets macht.

5. Skype obsolet gemacht? Not.
Wenn so viele Menschen auf einer Online-Plattform kommunizieren, dann ist es naheliegend, ihnen möglichst viele technische Kanäle dazu zu geben. Dachte sich Mark Zuckerberg und führte im Sommer 2011 Videoanrufe (übrigens mit Hilfe von Skype) ein, die Facebook-Mitglieder am Desktop starten können. Die Funktion ist allerdings nicht sehr präsent im Online-Netzwerk, hat sich nicht so richtig durchgesetzt, und die Menschen sagen immer noch “skypen” zum Videotelefonieren. Da sind Apple mit “Facetime” und Google mit “Hangouts” viel näher dran als Facebook, den Videocall-King, der Microsoft gehört, vom Thron zu stoßen.

6. Seine Klarnamenpolitik durchgesetzt? Nö.
Der Traum von Mark Zuckerberg, dass einmal alle Menschen mit ihrer echten Identität im Internet unterwegs sind, dürfte sich nicht erfüllen. Twitter, Reddit oder Google+ sind große Plattformen, auf denen Pseudonyme erlaubt sind – wenn auch diese Accounts im Hintergrund auf unterschiedliche Art und Weise an echte, auffindbare Personen geknüpft sind. Auf Facebook selbst gibt es etwa 8 Prozent Fake-Accounts (das sind fast 100 Millionen Accounts), und auch Facebook-eigene Apps wie Instagram oder Messenger kann man mit mit Nickname bzw. ohne Facebook-Account benutzen.

7. Die Welt vernetzter und offener denn je gemacht? Leider nein.
Das ambitionierte Ziel, die gesamte Welt auf einer Plattform zu vernetzen, konnte Facebook in seinen ersten zehn Jahren natürlich nicht erreichen. In Deutschland sind 56 Prozent der Internetnutzer Mitglied, in Österreich sind etwa 40 Prozent der Bevölkerung registriert. Ganz zu schweigen von restriktiven Staaten wie China, Iran oder Pakistan, wo das Online-Netzwerk gesperrt ist. Außerdem beschreiben renommierte Buchautoren wie Eli Pariser (“The Filter Bubble”) oder Ethan Zuckerman (“Rewire”) einen gegenläufigen Trend: Anstatt mit der ganzen Welt in Kontakt zu treten, umgeben wir uns in Online-Netzwerken lieber mit Menschen und Informationen, die uns ähnlich sind bzw. zu unseren Meinungen passen. Mit seinen Personalisierungstechnologien trägt Facebook zu dieser Entwicklung bei. Auch offener ist die Welt nicht geworden: Wenn man etwa den Berichten von “Reporter ohne Grenzen” folgt, wird die Zahl der Menschen, die unter Internet-Zensur und -Überwachung leben, von Jahr zu Jahr nicht kleiner, sondern größer. Und wenn man sich die Leaks von Edward Snowden ansieht, dann wird klar, dass Facebook auch ein Tool der Überwacher geworden ist.

„Jugendsünden im Social Web“: Mein Interview in den Salzburger Nachrichten zu Facebook und Co.

© Anna Steinschaden

© Anna Steinschaden

2014 beginnt für mich als Buchautor ziemlich super: Die Salzburger Nachrichten, das Abendgymnasium Salzburg, das BG Seekirchen, das BORG Nonntal, und das Christian Doppler Gymnasium Salzburg haben mich am 3. Februar in die schöne Stadt an der Salzach eingeladen, um einen Vortrag über „Digital Natives und Digital Naives“ zu halten. Besonders freut mich, dass ich damit dem von mir sehr geschätzten Datenschutz-Aktivisten Max Schrems folgen darf, der im Vorjahr einen Vortrag im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe gehalten hat. Wer Zeit und Lust hat, kann also gerne vorbeikommen:

Wann: Montag, 3. Februar 2014
Wo: SN-Saal, Karolingerstr. 40, 5021 Salzburg (-> Google Maps)
Wieviel: freier Eintritt

Auf www.salzburg.com wird es außerdem einen Live-Stream geben, und Zuseher vor Ort bzw. im Web können nach dem Vortrag natürlich gerne Fragen stellen bzw. Feedback geben. Passend zum Vortrag gibt es heute ein Interview in den Salzburger Nachrichten bzw. hier online mit mir zu lesen.

Besonderer Dank gilt an dieser Stelle Prof. Mag. Walter Steinkogler vom Salzburger Abendgymnasium und Mag. Thomas Hofbauer von den Salzburger Nachrichten, die mit ihrem vollen Einsatz den Vortrag und das Interview möglich gemacht haben. Daumen hoch!

Ankuendigung_Salzburger Nachrichten

„Spiele-Apps als Spionage-Tools“: Mein Kurzauftritt als Buchautor in der ZiB24 des ORF

Jakob Steinschaden_ORF

Unverhofft kommt oft – und so klingelte Dienstag früh das Telefon, und ein ORF-Redakteur bat mich zum Interview. Thema: Die kürzlich aufgeflogene NSA-Praxis, auch Daten aus Smartphone-Apps wie „Angry Birds“ abhören zu können. Am Wiener Küngilberg positionierte mich das Kamera-Team zwischen den Satellitenschüsseln der Sendeanstalt, und ich erläuterte kurz, warum und welche Metadaten die NSA aus den Apps ziehen könnte, wie das zu ihrem Masterplan passt („Wir brauchen den Heuhaufen, um die Nadel zu finden“) und was das für den Einzelnen in Österreich bedeutet.

Anschauen kann man sich den 2-Minuten-Beitrag noch bis kommenden Mittwoch, 5. Februar, in der ORF TVthek (rechts neben dem Videofenster auf „Spiele-Apps als Spionage-Tools“ klicken, um direkt zu dem Beitrag zu springen). Ich freu mich.

Hallo Android, tschüss iPhone! Vom geldgierigen Apple zum datenhungrigen Google

android_iPhone_Montage_Jakob Steinschaden

Mehr als eine Milliarde aktivierter Android-Geräte, mehr als 700 Millionen verkaufter iOS-Geräte: Apple und Google sind die beiden vorerst unbesiegbaren Champions der mobilen Welt. Doch auf welche Seite schlägt man sich als Konsument? Als langjähriger iPhone-Nutzer habe ich vor einigen Monaten den Wechsel auf die andere Seite gewagt – und sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen damit gemacht.

Weil mich das iPhone 5 bzw. 5S nicht mehr so angesprochen hat wie die ausgezeichneten Vorgänger-Modelle 4 und 4S, habe ich mich vor einigen Monaten entschieden, auf Googles Android zu wechseln. Denn da drüben, im anderen Lager, gibt es mittlerweile einen Haufen attraktiver Smartphones, und das Nexus 5 von Google/LG (399 Euro, 16 GB) hat mich dann letztendlich überzeugt. Das sind 300 Euro weniger als für das neueste Apple-Smartphone.

Apple ohne großen Innovationen
Wenn ich heute mein Android-Gerät auf den Tisch lege, fragen mich nicht wenige Bekannte, die mich in den vergangenen vier Jahren als iPhone-User kannten, warum ich bloß gewechselt habe. Meine Antwort: Der günstigere Preis ist nur ein Grund von vielen. Apple ist in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr innovativ genug. Der Fingerabdruck-Sensor des iPhone 5S in Ehren, aber ohne diese Spielerei kann ich auch ganz gut weiterleben. Wichtiger als die Hardware (hohe Display-Auflösungen, schnelle Prozessoren und ganz gute Kameras haben eigentlich eh schon fast alle Modelle) ist mir ohnehin die Software – und da hat Apple mit seinem iOS 7 bekannterweise ein wenig gepatzt. Kindisch, bunt, wie aus den 1970ern: Auch wenn auf drei von vier iOS-Geräten die siebente Version des mobilen Betriebssystems installiert ist, heißt das nicht, das alle User zufrieden damit sind – die meisten meiner Bekannten mit iPhones meinen, dass man sich halt an den neuen Look gewöhnen und im Prinzip das Gerät weiter wie bisher nutzen könne.

Bei Android bzw. seiner aktuellsten Version KitKat fühlt man sich als langjähriger iPhone-Nutzer schnell zu Hause (eine Anleitung zum Umzug findet sich etwa bei Google-Chef Eric Schmidt). App-Symbole, nach rechts Wischen zu den weiteren Homescreens, der Rollbalken von oben mit den Notifications, ein gemeinsamer Posteingang für alle E-Mail-Konten, Schnellzugriff auf die Kamera usw. – das ist dem iPhone alles sehr ähnlich (wer hier von wem abgeschaut hat, ist Gegenstand vieler anderer Artikel). Was es beim iPhone aber immer noch nicht gibt, sind die Widgets: So kann man sich etwa eine große Uhr auf den Homescreen legen oder über eine Schaltfläche und ohne Extra-Befehl Bluetooth, WLAN, GPS oder Bildschirmhelligkeit steuern.

Während Apples Sprachsteuerung Siri für mich nur ein Party-Gag war und im Alltag wenig Nutzen bewies, wird der unheimliche, weil Nutzerdaten verarbeitende Android-Assistent “Google Now” (hier mein Testbericht dazu) immer praktischer – etwa, wenn er unaufgefordert schon mal die Route zum nächsten Termin berechnet. Und eines steht bei den Nexus-Smartphones, die Google gemeinsam mit Partnern wie LG, Samsung oder HTC entwirft, natürlich stark im Vordergrund: die Suche. Beim Nexus 5 etwa findet sich auf jedem Homescreen ein prominent platziertes Suchfeld – so prominent, dass ich die App des mobilen Browsers gar nicht mehr benutze. Nachteilig ist jedenfalls, dass es bei Android nicht jede App gibt bzw. ihre iOS-Versionen noch immer von ihren Entwicklern bevorzugt behandelt werden.

Weniger Geld, mehr Daten
Dass die Google-Suche bei Android-Handys sehr präsent ist, zeigt exemplarisch natürlich eines auf: So, wie man sich beim iPhone dem System Apple ausliefert, ist es genauso hier. Auch wenn man immer die Möglichkeit hat, Alternativen zu installieren (z.B. Firefox statt Chrome, Wuala statt Google Drive, Yahoo Mail statt Gmail, etc.), sind Android-Geräte natürlich in erster Linie datensammelnde Satteliten des Google-Imperiums. An immer mehr Stellen drängen sich Google-Dienste in den Vordergrund – etwa, wenn die vorinstallierte SMS-App “Hangouts” heißt und nicht nur SMS senden und empfangen kann, sondern auch gleich eine Anbindung an den gleichnamigen Google-Chat ist, oder wenn die eigene Kontaktliste um Google-Suchergebnisse aus der Umgebung angereichert wird.

Googles Hauptgeschäft liegt darin, Nutzerdaten zu Werbezwecken auszuwerten, während Apple vorrangig mit dem Verkauf von Hardware sein Geld macht. Netzwertig-Autor Martin Weigert etwa argumentierte deswegen kürzlich, dass er das “dumme iOS” deswegen dem “smarten Android” vorziehe, weil er sich dem alles auswertende Google-System nicht “bedingunslos ausliefern” wollen würde. Dieses Argument hat natürlich etwas für sich. Aber: Auch bei Apple liefert man sich dem System des Unternehmens aus. Apps müssen (mal abgesehen vom Jailbreak) im App Store erlaubt sein, iMessages funktioniert nur im Zusammenspiel mit anderen iOS-Geräten, und die Apple Maps sind in vielen Anwendungen integriert, die in irgendeiner Form etwa mit Ortung zu tun haben (von Foursquare über Yelp bis Facebook). Bei Android hat man immerhin die Möglichkeit, sich einfach Apps für verschlüsselte Kommunikation wie RedPhone, Orbot oder TextSecure zu installieren, während diese und andere Verschlüsselungs-Apps (z.B. auch CryptoCat) bei Apple nicht zugelassen sind – das ist im NSA-Zeitalter ein klarer Vorteil von Android.

Warten aufs Crypto-Fair-Phone
Insgesamt ist der Wechel von iPhone zu Android wenig dramatisch und mit Hilfe der Cloud, in der E-Mails, Facebook, Twitter, Spotify-Musik, Evernote-Notizen, Flickr-Fotos lagern, einfach zu bewerkstelligen. Der Umstieg ist einfacher als viele denken, weil sich die beiden Betriebssysteme eigentlich sehr ähneln. Bei welcher Firma man nun schlechter aufgehoben ist – beim geldgierigen Apple oder beim datenhungrigen Google -, bleibt Ansichtssache. Als Neo-Androide könnte ich argumentieren, dass man bei Google für seine Daten mehr Nutzen zurückbekommt als bei Apple für sein Geld. Oder einfach darauf warten, bis es ein alltagstaugliches Crypto-Fair-Phone zu einem angemessenen Preis gibt.

Nach dem Social Web kommt das Private Web: Privacy-Start-ups boomen nach NSA-Leaks

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Die skandalösen Enthüllungen durch Leaker Edward Snowden über die Überwachungspraktiken von NSA und dem britischen Geheimdienst GCHQ haben Internet-Dienste wie DuckDuckGo oder BoxCryptor, die sich Privatsphäre und Datenschutz verpflichtet haben, viel Zulauf beschert. Doch dieser kurzfristige Boom ist nur die halbe Geschichte. Denn Risikkapitalgeber beginnen jetzt damit, Millionen in Privacy-Start-ups zu pumpen, die wir erst in mehreren Monaten und Jahren verwenden werden.

Zuwachs für Verschlüsselung
“Ja, wir haben seit PRISM einen sehr starken Zuwachs an Nutzern erfahren dürfen. Innerhalb der letzten Wochen sind mehrere Tausend Nutzer unserer Software hinzugekommen.” Andrea Wittek, die junge Gründerin des bayrischen Security-Start-ups BoxCryptor, ist eine der wenigen Personen, die den PRISM-Skandal etwas Positives abgewinnen kann. Die Software, die ihre Firma aus Augsburg via Internet vertreibt, verschlüsselt Nutzerdaten lokal am Computer, bevor sie in Cloud-Dienste wie Dropbox, SkyDrive von Microsoft oder Google Drive (also die Server der durch NSA überwachten Unternehmen) hochgeladen werden. BoxCryptor hat seine Chance erkannt und sich sofort als Anti-Spionage-Software positioniert, an der sich die Schnüffel-Programme der NSA die Zähne ausbeißt.

Generell hoffen wir natürlich, dass PRISM nachhaltige Auswirkungen auf die Nutzer der Cloud hat. Das war jetzt ein Skandal, aber der nächste wird sicher nicht länger auf sich warten lassen. Jeder Nutzer sollte sich auch bewusst machen, dass kostenlose Cloud-Angebote meist nicht wirklich kostenlos sind. Denn dann zahlen die Nutzer mit ihren Daten”, sagt Wittek. “Wir hoffen also, dass die Nutzer nicht den Anbietern vertrauen und hoffen, dass ihre Daten schon sicher sind, sondern den Schutz ihrer Daten in die eigenen Hände nehmen.”

Datenschutz als neues Verkaufsargument
BoxCryptor ist nicht das einzige auf Datenschutz spezialisierte Start-up, dass im Zuge von Snowdens Enthüllungen einen Aufschwung erlebt. Kim Dotcom, der seinen Online-Speicher-Dienst Mega als “The Privacy Company” bewirbt, twitterte unlängst:
Auch die PR-Branche ist auf den Trend aufgesprungen: Messer PR aus München rührt für die Security-Software SharedSafe die Werbetrommel: “Der Skandal um das NSA-Abhörprogramm PRISM verunsichert Internetnutzer weltweit. Wie vor kurzem bekannt wurde, werden seit 2007 die Daten auf Servern großer IT-Unternehmen und vieler Telefonprovider kontinuierlich abgegriffen. Das Tool SharedSafe des Freisinger Herstellers rootloft richtet sich an alle, die Cloud-Dienste nutzen, jedoch ihre Privatsphäre wahren möchten.”

Auch IBM ist auf den Geschmack bekommen und verkündete, in der Datenschutzhochburg Deutschland ein neues IT-Center mit 300 Stellen zu eröffnen, das “Made in Germany”-Produkte anbieten wird. Es kursieren außerdem Listen wie jene unter http://prism-break.org, die Alternativen zu Betriebssystemen, Browsern und Internet-Diensten der überwachten IT-Riesen Google, Facebook, Apple und Microsoft nennen. Neben Linux-Distributionen, Firefox, WordPress, dem Anonymisierungs-Tool TOR, der freien Facebook-Alternative diaspora und der virtuellen Währung Bitcoin immer fix mit dabei: Die auf Privatsphäre bedachte Suchmaschine DuckDuckGo, die sich kürzlich über eine Verdreifachung der Suchanfragen freute.

“Private Web” treibt erste Blüten
Vom Anbruch eines neuen Privacy-Zeitalters zu sprechen, wäre aber noch verfrüht. Tausende neue BoxCryptor-Nutzer und Millionen neue DuckDuckGo-Sucher sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Belege, dass die IT-Giganten Apple, Google und Facebook wegen Überwachungsängste plötzlich an Nutzerschwund leiden, gibt es bis dato nicht. Die ganz große Mehrheit ist zu bequem, um sich von iPhone und Dropbox, von Google Maps und Skype loszureißen und die datenschützenden Alternativen zu nutzen. Denn wer sie schon ausprobiert hat, der weiß: DuckDuckGo und Co. funktionieren einfach nicht so reibungslos wie jene Web-Dienste, die unsere persönlichen Daten verarbeiten.

Zumindest derzeit nicht. Denn interessanterweise haben die NSA-Leaks noch einen Effekt: Risikokapitalgeber machen plötzlich Geld für Start-ups locker, die sich der Privatsphäre verschrieben haben. “Ich glaube, dass Lösungen, die dieses Thema breiter adressieren, viel Markt finden werden”, sagt etwa Oliver Holle vom Wiener Internet-Investor SpeedInvest. “Ein Beispiel ist sicher Snapchat mit einer Bewertung von 800 Millionen Dollar, sehe aber auch Chancen für EU-Startups, da auf der großen Skepsis gegenüber US-Playern aufzusetzen.” Auch ein anderer, großer österreichischer Internet-Investor, der nicht genannt werden will, sagt: “PRISM hat für neue Impulse im Mark gesorgt. Wir werden bald eine ganze Reihe an Start-ups sehen, die sich dem Thema Datenschutz widmen.” Das ist ein radikales Umdenken: Wie ein anonym bleibender Wiener Start-up-Gründer berichtet, hätte er noch vor kurzem keine Förderung für eine Datenschutz-Idee erhalten.

Snapchat als Speerspitze
Neben Snapchat – die Smartphone-App löscht (nicht immer) verschickte Bilder wieder, sobald der Empfänger sie angeschaut hat – hat auch Disconnect.me, das Start-up eines EX-Googlers, auf sich aufmerksam gemacht. Die Entwickler des Browser-Plugins, das beim Surfen übertragene Daten verschlüsselt und Tracking durch Dritte unterbindet, hat von FirstMark Capital3,5 Mio. Dollar Risikokapital bekommen.

Diese und andere Investments werden die neuen Privacy-Start-ups auch dringend brauchen: Es braucht meistens viel Geld, Zeit und Arbeitskräfte, um große, gut funktionierende Web-Dienste aufzubauen, die etablierten Web-Firmen Konkurrenz machen können und von mehr als nur einer eingeweihten Runde (Hacker, Journalisten, Blogger, Netzaktivisten etc.) genutzt werden.