Diffuses Regelwerk für Online-Freundschaften

Nicht Jetzt_Credit: Jakob Steinschaden

Bei Facebook unterliegen unsere Online-Bekanntschaften einem ständigen technischen Wandel.  Oder anders gesagt: Den Nutzern wird ständig durch neue Technologien diktiert, wie man mit virtuellen Beziehungen umzugehen hat. Die Änderungen werden meist nebenbei eingeführt, haben aber wesentlichen Einfluss auf unsere Facebook-Nutzung.

1) Der Nicht-Jetzt-Knopf

Bisher konnte man Freundschaftsanfragen entweder „Bestätigen“ oder „Ignorieren“. Bei der Wahl der zweiten Option erhielt der Anfragende keinen Zugriff auf die Inhalte des Ablehnenden. Seit kurzem aber gibt es statt dem „Ignorieren“ die Option „Nicht jetzt“. Damit schiebt man den lästigen Anfragenden auf eine virtuelle Warteliste und kann zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, ob man Facebook-Freundschaft schließen will. Im Klartext: Facebook hat aus einem Ein-Klick-Verfahren ein Zwei-Klick-Verfahren gemacht, wenn man eine Anfrage ablehnen will. Der Nutzer in der Warteschleife bekommt sämtliche für „Alle“ sichtbaren Nutzer automatisch in seinen „News Feed“ gespült – er ist wie bei Twitter zum „Follower“ geworden. Aus Betreiber-Sicht macht die neue Funktion Sinn: Dadurch entstehen viel mehr formale Beziehungen zwischen Nutzern, da jetzt viel weniger Anfragen definitiv abgelehnt werden.

2) Dokumentierte Beziehungen

Mit den neuen, so genannten „Friendship Pages“ erlaubt es Facebook, alle Interaktionen (vom Pinnwandeintrag bis zum getaggten Foto) zwischen zwei Personen gesammelt auf einer Seite anzuzeigen:

Die Krux der Geschichte: Man kann nicht nur die eigenen Interaktionen zu seinen Facebook-Freunden abrufen, sondern auch jene zwischen zwei anderen Personen. Die Privatsphäre-Einstellungen „Freunde von Freunden“ bekommt dadurch sehr viel Gewicht, da man so die Beziehungsgeschichte von im Schnitt 17.000 Personen abrufen kann. Kritiker nennen die „Friendship Pages“ nicht zu Unrecht ein „effektives Werkzeug für Stalker“ (Anmerkung: In meinem Profil ist die Funktion noch nicht aktiv).

3) Ex-Partner werden ausgeblendet

Eine weitere neue Funktion, von der wohl die wenigsten wissen, betrifft Ex-Partner. Da man bei Facebook angeben kann, mit welchem anderen Mitglied man in einer Beziehung ist, weiß das Online-Netzwerk auch, wann die Liebschaft vorbei ist – immerhin ist es unter Jugendlichen gang und gäbe, die Trennung auch via Facebook bekannt zu geben und den Beziehungsstatus auf „Single“ zu setzen. Damit der Split nicht gar so weh tut, maßt sich Facebook nun folgendes an: Wenn der Ex-Partner neue Fotos hochlädt, werden sie aus dem eigenen „News Feed“ gefiltert, damit man nicht an ihn erinnert wird.

4) Kontroverse Gruppen

Seit Anfang Oktober gibt es die neuen Facebook-Gruppen. Diese lassen sich sehr einfach gründen: Man gibt ihr einen Namen, sucht ein kleines Icon zur besseren Wiedererkennung aus und wählt aus seiner Freundesliste all jene Personen aus, die man in der Gruppe haben möchte. Dann kann man die Zugriffsmöglichkeiten festlegen: „Geschlossen“, „Offen“ oder „Geheim“. Da die Mitglieder einer Gruppe automatisch dabei sind und nicht erst zusagen müssen, tauchten sofort die ersten Probleme auf: Mahalo-Chef Jason Calacanis etwa wurde in die Pädophilen-Gruppe „North American Man-Boy Love Association“ aufgenommen – was für jeden frei einsehbar war und ihm einen gehörigen Image-Schaden eingebracht hätte, hätte er nicht sofort öffentlich reagiert. Als Nutzer muss man sich aktiv aus einer Gruppe austragen, damit man nicht mehr als Mitglied angezeigt wird.

5) Werbe-Targeting nach Interessen der Freunde

All diese und viele andere Neuerungen erfüllen für Facebook einen Zweck: Die Zahl der Verbindungen zwischen den Nutzern zu erhöhen. Egal ob der „Nicht Jetzt“-Knopf oder die neuen Gruppen-Funktionen: Je mehr Beziehungen Facebook zwischen den Nutzern kennt, umso besser kann es personalisierte Werbung schalten. Das wurde spätestens klar, als sich die US-Firma im Oktober folgendes patentieren ließ: Ein neuer Algorithmus soll für jene Nutzer seine wahrscheinlichen Interessen und Vorlieben errechnen, die ihre Profile nicht oder nur spärlich befüllen. Trotzdem könnten sie dann Werbung – errechnet aus den Angaben der Facebook-Freunde – bekommen, die ihre Bedürfnisse gezielt anspricht.


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