Rückblick II: Transparenz kann auch Schatten werfen

Facebook Logo Credit: Gregor Gruber.jpg

Als Facebook im Juli 2010 seinen 500 millionsten Nutzer ankündigte, startete die Firma gleichzeitig eine Webseite, die ab sofort bewegende Nutzer-Geschichten sammeln sollte. Unter http://stories.facebook.com/ kann man seither Berichte lesen, wie die Webseite bei der Verbrechensbekämpfung hilft, dem Frieden zuträglich ist, soziale Bewegungen unterstützt, in der Politik eingesetzt wird oder Selbsthilfegruppen zu Gute kommt. Kaum bis gar nicht bekommt man auf der (gefilterten?) Seite Geschichten zu lesen, wie Facebook zum Nachteil von Menschen beigetragen hat. Um einen Mini-Gegenpol zu den Facebook-Stories zu bieten, habe ich einige Negativ-Beispiele zusammengetragen. Ihre Gemeinsamkeit: Die von Zuckerberg immer wieder gelobte, durch Facebook geförderte „radikale Transparenz“, die zu einem besseren Zusammenleben beitrage, schafft eine Öffentlichkeit, mit der nicht jeder richtig umgehen kann oder will.

Entlassung Mittlerweile ein Klassiker: Mitarbeiter postet negativ über seine Arbeit, Chef liest, mit Mitarbeiter wird gefeuert. So geschehen 2010 in Frankreich. Ein Mitarbeiter einer Ingenieurfirma hatte, wie KURIER.at berichtet, in seinem Facebook-Profil scherzhalber über seinen Job geschrieben, dass er dem „Club der Unheilvollen“ angehöre. Er und ein Kollege wurden daraufhin entlassen. Ein Arbeitsgericht gab ihrem ehemaligen Arbeitgeber recht, dass dies ein zulässiger Entlassungsgrund sei. Schließlich wäre die Nachricht für „Freunde von Freunden“ zugänglich, was nicht als Privatsphäre zählt.

Haft Wie aus einem Bericht von Futurezone.at hervor geht, hat Facebook der zwölfjährigen Flucht eines Straftäters in den USA ein jähes Ende gesetzt. Der 47-Jährige Kalifornier hatte gegen Bewährungsauflagen verstoßen und sich in dem Grenzdorf Cut Bank in Montana nahe der kanadischen Grenze ein Jahrzehnt lang vor den Fahndern verstecken können. Dann postete er, dass das Wetter in der kleinen Ortschaft miserabel sei – und schon konnte die Bundespolizei seinen Aufenthaltsort feststellen.

Zensur Ganze Staaten kommen mit der Öffentlichkeit, die Facebook schafft, nicht zurecht. Immer wieder wird berichtet, dass vor allem muslimische Länder die Webseite für ihre Bürger sperren. 2010 waren das etwa Pakistan und Bangladesch, die Facebook aus Protest gegen den dort abgehaltenen „Everybody draw Mohammed Day“ blockierten. Jüngstes Beispiel ist Saudi-Arabien, dass das Online-Netzwerk im November kurze Zeit sperrte, wie bei der Huffington Post zu lesen war – aus „moralischen Bedenken“, wie es aus der staatliche Communications and Information Technology Commission hieß. Seit längerem ist bekannt, dass Facebook von jüngeren Saudis genutzt wird, um Kontakt zum jeweils anderen Geschlecht aufzunehmen, da das soziale Leben in dem Land stark reglementiert.

Schulden-Eintreiber Dass Facebook mittlerweile auch von so genannten „debt collectors“ für ihre Zwecke eingesetzt. Eine Frau aus St. Petersburg in Florida, so ein ABC-News-Bericht, ist das widerfahren. nach einer längeren Erkrankung, die sie arbeitsunfähig machte, fiel sie mit ihren Ratenzahlungen für das Auto in Rückstand. Die Eintreiber, also die Firma MarkOne Financial, verwendeten schließlich Facebook, um die Frau zu lokalisieren und die ausstehenden Zahlungen aufzufordern, weil sie anders nicht erreicht worden wäre. Dabei blieb es aber nicht: Auch die Schwester und ein Cousin wurden via Facebook kontaktiert, um an die Frau heranzukommen. Diese klagte darauf MarkOne Financial, weil sie darin eine schwere Verletzung ihrer Privatsphäre sah.

Morddrohung Das unbedachte Status-Update eines 19-jährigen Steirers hat ihn Ende 2010 vor Gericht gebracht, wie der WebStandard berichtete. „Ich metzl dich hin“, hatte er einem gleichaltrigen Freund an die Pinnwand geschrieben, angeblich, um seinen kleinen Bruder zu schützen. Der wörtlich Angegriffene habe diesen auf die schiefe Bahn gelenkt. Da die Botschaft als öffentliche Mordandrohung ausgelegt werden kann, wurde ein Verfahren eingeleitet. Die Richterin zeigte sich dann verständnisvoll ob des geständigen Angeklagten und ließ die Anklage fallen.

Mob In Philadelphia wurde ein junger Mann sprichwörtlich gemobbt, weil ihn die Facebook-Gruppe „Catch the Kensington Strangler, before he catches someone you love“ samt Foto fälschlicherweise als gesuchter Sexualmörder bezeichnete. Das geht aus einem Bericht von ABC News hervor. Eine unbekannte Menschengruppe versammelte sich vor seinem Haus, er musste fliehen. Erst ein DNA-Test konnte seine Unschuld beweisen, die Facebook-Gruppe wurde gelöscht. US-Behörden befürchten, dass das nicht der letzte Fall gewesen sein könnte, bei dem Online-Netzwerke für die Verbreitung falscher Informationen missbraucht werden.

Verleumdung 2010 wohl jener Facebook-Fall, der in Österreich für das meiste Aufsehen sorgte: Wie ein WebStandard-Bericht darlegt, hatte die Ex-Freundin eines Linzers in dessen Namen über Misshandlung und sexuellen Missbrauch von Kindern gepostet – offensichtlich, um sich an ihm zu rächen. Hunderte Anzeigen gingen daraufhin bei der Polizei wegen Verdacht auf Kinderpornografie ein. Später wurde nachgewiesen, dass die Einträge nicht von ihm stammten. Gegen die Frau wurde ein Verfahren wegen Verleumdung eingeleitet. Ihr droht eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.

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