London Campus: Das „Starbucks für Start-ups“ ist zwar gratis, aber sammelt auch Daten für Google

Verspielt wie immer: Googles Start-up-Zentrum in London. © Jakob Steinschaden

Verspielt wie immer: Googles Start-up-Zentrum in London. © Jakob Steinschaden

Es ist eine reichlich unspektakuläre Seitengasse im hippen Londoner Stadtteil Shoreditch, die sich zu einem der wichtigsten Treffpunkte der europäischen Startup-Metropole entwickelt hat. “Das ist das Starbucks für Startups”, scherzt Google-Mitarbeiter Bruno, während er durch den Campus London führt – in Anspielung auf das Café im Keller, in dem junge Londoner bei Gratis-WLAN an ihren Projekten werkeln. In dem Gebäude haben sich seit dem Start vor drei Jahren 50.000 Startups angemeldet, täglich sind Vertreter von rund 200 Jungfirmen vor Ort, und pro Jahr finden hier rund 1000 Events statt.

Im London Campus von Google. © Jakob Steinschaden

Im London Campus von Google. © Jakob Steinschaden

Kreative Gratis-Welt

Auf sieben Stockwerken hat Google gemeinsam mit seinen Partnern eine Mischung aus Coworking Space, Café, Veranstaltungszentrum, Inkubator und Hacker-Treff eingerichtet. Das Publikum – man ahnt es schon – erfüllt viele Klischees des Tech-Hipsters: MacBooks, Vollbärte und Nerd-Brillen dominieren das Bild, und die obligatorischen Tischfußballtische, Sitzsäcke und auf Wände gepinselten Sprüche (“Wake up, Start-up”, “Work hard, play hard”) gibt es natürlich auch. Als Sahnehäubchen gibt es sogar eine Bitcoin-Maschine, an der man Cash in die virtuelle Währung tauschen kann, um damit anschließend seinen Caffé Latte am Tresen zu bezahlen. Erfrischend ist, dass viele Frauen ihren Weg in den Campus gefunden haben – mit dem Programm “Women@Campus” wird das gezielt gefördert.

Ganz nach Google-Manier ist hier fast alles gratis: Was zur Folge hat, dass es ab 9 Uhr morgens ein Rennen um die besten Plätze im Café gibt, wo schnelles kostenloses Internet und Steckdosen geboten werden. Außerdem gibt es ein Device Lab mit einer ganzen Reihe an Testgeräten (von iPhone über Android-Tablets bis hin zum Windows-Smartphone), auf denen man kostenlos seine Apps und Web-Dienste testen kann – sofern sie frei sind. Lediglich in der Cafeteria oder für einen fixen Platz im Coworking-Bereich muss man in die Tasche greifen. Für Startups in ganz frühen Phasen und Gründer, die noch ihre Konzeptpapiere schreiben, ist der London Campus die günstigste Möglichkeit, um ein Projekt anzugehen. Vom Café im Untergeschoss kann man sich dann sprichwörtlich nach oben arbeiten, denn Google hat eine ganze Reihe an Partnern ins Haus geholt, die die oberen Stockwerke bezogen haben.

Im London Campus von Google. © Jakob Steinschaden

Im London Campus von Google. © Jakob Steinschaden

Sich nach oben arbeiten – sprichwörtlich

Wer schon ein Stückchen weiter auf dem Weg zur Weltherrschaft ist, der zieht in den Coworking Space von TechHub ein paar Stöcke höher, dessen Schwesternbüros in Berlin, Bangalore, Boston oder Bukarest liegen. Hier lassen sich fixe Arbeitsplätze für EPU oder kleine Teams mieten, pro Monat kostet das 275£. Außerdem im Haus vertreten ist der Startup-Investor Seedcamp, der unter anderem in Startups wie TransferWise (GB), Holvi (FIN) oder Frontback (USA) investierte und eine besondere Liebe zu österreichischen Jungfirmen entwickelt hat (u.a. Platogo, Codeship, Blossom.io, Lookk, Soup.io). “Es sind immer echt gute Investoren im Haus”, sagt Bruno, offenbar werden im Campus vielversprechende Gründer gescoutet. Schließlich ist auch der Partner Up, der auf Events für Gründer und Startups spezialisiert ist und weltweit mehr als 1000 Veranstaltungen in fast 570 Städten organisiert. Ziel ist die Vernetzung der Jungfirmen untereinander sowie mit potenziellen Investoren.

Google, das mit dem Campus London der Community einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt geschenkt hat, ist ebenfalls bemüht, die Szene mit Input zu versorgen. Zu den Events holte man etwa HuffPo-Gründerin Arrianna Huffington, Buzzfeed-Gründer Jonah Perretti oder die CEOs von Jawbone und King.com (“Candy Crush”) ins Haus. Außerdem fungieren Google-Mitarbeiter auf freiwilliger Basis als Mentoren für Startups oder geben Workshops zu Themen wie Social Media, Growth Hacking, Mobile oder Online-Werbung.

Im London Campus von Google. © Jakob Steinschaden

Im London Campus von Google. © Jakob Steinschaden

Datensammeln über Startups

Selbstlos ist Google aber nicht, wenn es der Londoner Startup-Community einen Gratis-Campus schenkt. Die Einrichtung ist Teil des Programms Google for Entrepreneurs, das seit 2011 viele Millionen US-Dollar in etwa 125 Ländern investiert hat. Google will mit dem Support der lokalen Startup-Szenen weltweit immer neues, frisches Blut ins digitale Ökosystem bringen, von dem es selbst zehrt. 2015 sollen dem London Campus ähnliche Einrichtungen in Madrid, Warschau, Sau Paolo und Seoul eröffnet werden. Und Google wäre nicht Google, wenn es nicht auch hier Daten sammeln würde. Wer gratis im Café arbeiten möchte, muss sich online registrieren und Google Name, Geschlecht, Herkunft, E-Mail-Adresse, Firmenname, Alter des Startups, Branche und Website verraten. Für Google kann diese Datenerfassung eine Art Seismograph sein, der feststellt, welche Trends in der Tech-Welt entstehen und welche Startups in welchen Verticals entstehen.

Mit der Zugangskarte wird außerdem getrackt, wer wann im Haus ein und ausgeht, und das Google Security Operations Center (GSOC) ist für die Gebäudeüberwachung zuständig. Schließlich wird in einer Partnerschaft mit BuzzRadar aufgezeichnet, was in Social Media über das Haus veröffentlicht wird. Und so lernt man im London Campus zumindest wieder eines: Gratis ist auf dieser Welt nur wenig, auch in der hippen und freundlichen Google-Startup-Welt nicht.

Dieser Artikel ist zuerst
bei Netzpiloten.de erschienen.

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