Testfahrt im Tesla Model S: Der fahrende Nobel-Computer, den sich Apple kaufen wollte

Das Model S von Tesla Motors © Jakob Steinschaden

Das Model S von Tesla Motors © Jakob Steinschaden

Vergessen wir für einen Moment einfach einmal den Mindestpreis von 63.740 Euro. So viel kostet das wahrscheinlich tollste Elektroauto der Welt, der Tesla Model S. Sportlich, voller Hightech, mit E-Motor – ein Statussymbol für den Nerd mit dicker Geldbörse. Ja, Tesla Motors von PayPal-Mitgründer Elon Musk ist jene Firma, die Elektromobilität begehrenswert und sexy macht, indem sie die Antriebstechnologie in eine schicke Limousine steckt und mit allen erdenklichen Hightech-Tricks versieht, die Autos heutzutage so können. Sogar Apple wird nachgesagt, Tesla Motors ein Übernahmeangebot gemacht zu haben. Zeit für eine Probefahrt.

Ein Stromer voller Hightech-Schmankerl
Seit Oktober 2013 sind in Deutschland die ersten Model S auf den Straßen zu sehen, und auch in Österreich läuft das Geschäft langsam an – die Berichte über brennende Teslas tun dem keinen Abbruch. Grund genug für mich, mir eine Testfahrt im neuen Wiener Service Center der US-Firma zu buchen und den fahrenden Edel-Computer hinterm Steuer zu erleben. Wer am Fahrersitz des Model S Platz nimmt, der sitzt vor allem einmal vor zwei Bildschirmen. Statt der Mittelkonsole prangt ein 17-Zoll-Touchscreen im Hochformat, und dort, wo man sonst hinterm Lenkrad Tacho und Drehzahlmesser erwartet, gibt es einen zweiten Bildschirm. Sehr spacig also, weswegen es auch gleich das erste ist, womit sich Tesla-Neulinge auseinandersetzen. Über den Touchscreen kann man nahezu alles im Auto steuern, was zu steuern ist – Klimaanlage, Navi, Schiebedach, Rückfahrkamera, Rückfahrkamera, Browser, Entertainment, im Prinzip gibt es lediglich für die Fensterheber und die Rückspiegel die gewohnten Bedienknöpfe.

Am Touchscreen kann man dann auch festlegen, was das Display hinterm Lenkrad anzeigen soll – zum Beispiel kann man sich die Google Maps wahlweise dorthin legen, damit man die Route besser im Blickfeld hat. Das Smartphone lässt sich natürlich auch per Bluetooth koppeln. Gott sei Dank gibt es am Lenkrad auch noch etliche Knöpfe, damit man während der Fahrt nicht ständig nach rechts auf den Touchscreen tapsen muss. Insgesamt also sieht das Cockpit ziemlich genau so aus, wie man es sich vom Auto der Zukunft erwarten würde, ohne Abstriche bei Komfort und Ausstattung (z.B. Lederlenkrad) zu machen.

Das Model S von Tesla Motors © Jakob Steinschaden

Der 17-Zoll-Monitor mit Linux-Betriebssystem. © Jakob Steinschaden

Nur die Software (das Betriebssystem basiert auf Linux) kam mir aufgrund der Icons und des Designs nicht ganz 2014 vor, aber das lässt sich mit künftigen Software-Updates sicher regeln. Die kommen dann natürlich “over the air”, denn im Preis inbegriffen ist mobiles Internet (derzeit 3G, bald aber auch 4G), über das das Model S ständig im Internet hängt. So kann man am Touchscreen auch im Internet surfen – selbst wenn man das im Ausland tut, ist das mit dem Kaufpreis abgedeckt.

Mit einem Grinsen im Gesicht
Das zweite Highlight neben dem futuristischen Cockpit ist natürlich der Elektromotor des Model S. Den gibt es mit 225 kW (306 PS), 270 kW (367 PS) oder (310 kW (421 PS) und speist sich aus dem Akku, der quasi den gesamten Boden des Autos einnimmt und 60 bzw. 85 kWh Kapazität hat – aber dazu später mehr. Zuerst zum Fahrgefühl: Gestartet wird der Tesla nicht per Zündschloss, sondern einfach mit einem Tritt auf die Bremse – der Wagen erkennt den Fahrer am Funk-Schlüssel, den man einfach bei sich trägt (so sperren übrigens auch die Türen auf). Also ein Tritt auf die Bremse – und nichts passiert. Glaubt man zumindest – weil der E-Motor so leise ist. Tatsächlich kann man aber schon losdüsen. Das Model S fährt sich dabei im Prinzip wie ein ein Wagen mit Automatik, nur dass der Motor eben nicht zwischen den Gängen schalten muss. Das heißt: Das Auto beschleunigt stufenlos in 5 bis 6 Sekunden von 0 auf 100, und das macht schon Spaß.

Tesla Grin” nennt man die verzückte Mimik, die sich in den Gesichtern von Erstfahrern bei ersten Mal Gas (oder eher Strom) geben breit macht. Leise ist der Motor obendrein auch noch, allerdings ist es nicht so leise in der Fahrkabine, wie ich mir gedacht hätte. Rollgeräusch der Reifen plus Außengeräusche plus das Surren des E-Motors beim Beschleunigen, der oberhalb der Hinterachse sitzt, geben zusammen eine doch hörbare Geräuschkulisse von sich, weswegen von flüsterleise eher nicht die Rede sein sollte. In gut isolierten, teureren Limousinen kann es ähnlich ruhig sein wie im Tesla. Spannender ist es da, dem Tesla mal von außen zuzuhören – da kommt einem so gut wie nichts zu Ohren.

Das Model S von Tesla Motors © Jakob Steinschaden

Die Türen des Model S öffnen automatisch, wenn sich der Fahrer nähert. © Jakob Steinschaden

Noch ein paar Worte zur Innenkabine: Auf der Hinterbank haben theoretisch drei Leute Platz, für drei 1,80-Meter-Kerle wird es aber auch im Kopfbereich etwas knapp – der Hinterkopf geht bei großen Menschen auf Tuchfühlung mit dem Dach. Eine Spezialität des Model S sind die zwei optionalen Kindersitze, die man gegen die Fahrtrichtung im Kofferraum einbauen kann – sicher Geschmackssache. Wer sich dafür entscheidet, hat trotzdem Stauraum vorne: Dort, wo Benziner ihren Motor haben, hat das Model S noch 150 Liter Extrastauraum.

Noch zu wenige Supercharger in Österreich
Nun zum Knackpunkt der ganzen Geschichte: Die Batterie schafft je nach Größe eine Reichweite von 390 bzw. 500 Kilometer (gerechnet bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 88 km/h). Von Wien nach München könnte man es also durchaus schaffen – aber was dann? Nun, Tesla will hier vorsorgen und baut seine Supercharger-Netz in ganz Europa aus. Dort kann man als Tesla-Besitzer gratis und vergleichsweise schnell Strom tanken, allerdings dauert eine volle Ladung gute 30 Minuten – Sprittanken hat man in 5 erledigt. Außerdem gibt es europaweit derzeit nur 14 Supercharger, die immerhin eine Reise von Amsterdam nach München ermöglichen. In Österreich hat der Arlberg derzeit als einziger eine der Tesla-Ladestationen bekommen, im Laufe von 2014 sollen die beiden wichtigsten Autobahnen A1 und A2 mit Supercharger-Stationen versorgt werden.

Das Model S von Tesla Motors © Jakob Steinschaden

Muss immer mit dabei sein: Die Stromkabel zum Tanken der Batterie. © Jakob Steinschaden

Führt also kein Weg daran vorbei, auch zu Hause tanken zu können. Und das ist so eine Sache. Denn am herkömmlichen Schukostecker dauert eine volle Ladung viel zu lange (bis zu 30 Stunden), weswegen man den Abstellplatz aufrüsten muss. Drittfirmen installieren in Garagen kleine Stromtankstellen (Ladezeit: bis zu 4,5 Stunden) oder Drehstromsteckdosen (Ladezeit: bis zu 8,5 Stunden), gegen Aufpreis versteht sich. Die Integration eines Teslas in den Alltag ist also nicht unbedingt leicht und setzt oft ein eigenes Haus voraus, in dem man die Garage nach eigenen Bedürfnissen einrichten kann. In meiner Mietgarage oder am Arbeitsplatz wären solche Umbauten zum Beispiel nicht möglich. Wenn man es dann aber geschafft hat, darf man sich über die günstigen Energiekosten freuen: 4 Euro kosten 100 Kilometer Tesla-Fahren heute in etwa. Wenn man sich dann auch noch Ökostrom besorgt, dann hält der Wagen wirklich sein 0-Emissionen-Versprechen.

Warten aufs Model E
Insgesamt hat mich das Model S bis auf kleine Abstriche begeistern können. Neben dem Preis ist aber die verzwickte Auflade-Situation noch ein sehr großes Hindernis, das gegen die Anschaffung spricht. Hier müssen vor allem Städter darauf hoffen, dass sich Miethaus- und Garagenbesitzer bewegen und entsprechende Ladestationen erlauben bzw. selbst aufstellen – das kann Jahre dauern. Für den Normalverbraucher heißt es also warten, am besten gleich auf das Model E. Das soll laut Tesla-Motors-Gründer Elon Musk 20 Prozent kleiner sein, bei der Ausstattung sparen und “nur” etwa 30.000 Euro kosten. Die Markteinführung ist 2017 geplant. Ich bin gespannt.

Das Model S von Tesla Motors © Jakob Steinschaden

Sehr sportlich, sehr futuristisch, sehr teuer. © Jakob Steinschaden

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