„All Our Patent Are Belong To You“: Wie Tesla nicht nur E-Autos, sondern auch sich selbst hilft

Das Model S von Tesla Motors © Jakob Steinschaden

Das Model S von Tesla Motors © Jakob Steinschaden

“All Our Patent Are Belong To You”: Tesla-Motors-Gründer Elon Musk hat vergangene Woche mit der Ankündigung, dass andere Tesla-Technologie einfach nachbauen dürfen, wieder einmal für Aufsehen gesorgt. Was aber steckt hinter der medientauglichen PR-Meldung, und welche Ziele verfolgt der Elektroautohersteller, der Partnerschaften mit Daimler und Toyota hat, wirklich mit diesem gefinkelten Schachzug?

In der Sendung „Breitband“ des Deutschlandradio Kultur habe ich
über die Tesla-Patente und die Strategie des Elektroautoherstellers
gesprochen. Die Sendung vom 21. Juni kann man sich hier anhören:

Keine Patentklagen gegen Technologie-Anwender
Eigentlich galt Tesla immer als eher verschlossenes Unternehmen der Sorte Apple. Das von PayPal-Millionär Elon Musk (für den Verkauf an eBay bekam er 180 Millionen Dollar) gegründete Elektroauto-Unternehmen hat nun offenbar eine Kehrtwende eingelegt. “All Our Patent Are Belong To You”, schrieb Musk kürzlich in den offiziellen Firmen-Blog in Anlehnung an das nerdige Internet-Mem, dem sich schon die Anonymous-Hacker bedienten.  “Tesla will not initiate patent lawsuits against anyone who, in good faith, wants to use our technology.” Anstatt die eigenen Patente als “Lotterielose” in Gerichtsprozessen gegen all jene einzusetzen, die Teslas Technologien nachbauen, wolle man fortan anderen Autoherstellern erleichtern, ebenfalls mit Elektromotoren angetriebene Vehikel zu bauen.

Musk, der sich selbst gerne als großer Innovator präsentiert (er baut auch Raumschiffe bei SpaceX und will den Hyperloop in Kalifornien als neuartiges Transportmittel einrichten), will so die Automobilindustrie in Richtung emissionsloser Antriebe bringen. Weniger als ein Prozent der Gesamtverkäufe von Neuwägen würden derzeit Elektroautos sein, und das bei 100 Millionen neuen PKWs weltweit und einer Gesamtflotte von zwei Milliarden Autos. “It is impossible for Tesla to build electric cars fast enough to address the carbon crisis”, so Musk. “By the same token, it means the market is enormous. Our true competition is not the small trickle of non-Tesla electric cars being produced, but rather the enormous flood of gasoline cars pouring out of the world’s factories every day.”

Stärkung des Ökosystems
Das System E-Auto kriegt dadurch einen starken Schub“, sagte Ferdinand Dudenhöffer, Chef des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen gegenüber der dpa. Andere Hersteller könnten nun die ausdauernden Akkus und hohen Reichweiten von Tesla, die ihren Elektroautos bisher fehlen, für sich verwenden, ohne fürchten zu müssen, dass sie von Tesla verklagt werden.

Nun ist es aber nicht so, dass Musk die Tesla-Patente im Sinne von Open Source offen gelegt hat. Patente sind von Natur aus offen, und jeder kann sie nachlesen – insofern hinkt der Vergleich. Tesla hält einige hundert Patente, die man sich einfach hier ansehen kann – vom Vehicle charge connector bis zum Battery pack venting system. Musks Ankündigung bedeutet eher, dass er keine anderen Autofirmen verklagen will, die sich dieser Patente “in guter Absicht” bedienen. Sollte ein Unternehmen so dreist sein und einfach 1:1 ein komplettes Tesla-Auto nachbauen, hat Musk immer noch Markenrechte, Firmengeheimnisse etc. in der Hand, um zu klagen. Experten gehen deswegen aus, dass sich andere Autohersteller vorher trotzdem rechtlich absichern werden, bevor sie Tesla-Patente einsetzen. Außerdem kann Tesla seine Patente immer noch defensiv einsetzen: Wird man von anderen Firmen für die Verletzung ihrer Patente geklagt, kann Musk mit Gegenklagen kontern und eine Vergleich anstreben.

Das Model S von Tesla Motors © Jakob Steinschaden

Das Model S von Tesla Motors © Jakob Steinschaden

Ohrfeige für Patenttrolle
Der von Innovation getriebene Musk setzt aber, natürlich im Stil des Silicon Valley, trotzdem ein wichtiges Zeichen: Er will Patenttrollen (also Firmen, die andere Firmen auf Teufel komm raus verklagen) das Wasser abgraben. Patenttrollerei ist ein großes Problem und gilt als innovationshemmend. Eine Studie von Catherine Tucker an der MIT Sloan School Of Management kam zum Ergebnis, dass Risikokapitalgeber in den letzten fünf Jahren 22 Milliarden Dollar in Start-ups gesteckt hätten, wenn sie keine Angst vor Patent-Trollen gehabt hätten. Eine zweite Studie an der Boston University kam 2011 gar zu dem Schluss, dass Patent-Trolle Innovatoren seit dem Jahr 1990 gar 500 Milliarden Dollar gekostet hätten – also im Schnitt 83 Milliarden Dollar pro Jahr. Welche Zahl nun auch stimmt: Patenttrolle kosten der Wirtschaft offenbar viel Geld.

Dass Tesla nun auf Open Source macht, ist im Silicon Valley nichts Neues. Google hat Cloud-Patente frei nutzbar gemacht (“Open Patent Non-Assertion Pledge”), Twitter verspricht seinen Entwicklern in einem “Innovator´s Patent Agreement” (IPA), die von ihnen entwickelten, patentierten Technologien nur defensiv und nicht offensiv für Patentklagen einzusetzen. Der Grundgedanke bei Tesla, Google oder Twitter: Sie wollen die Ökosysteme stärken, von denen sie selbst leben. Tesla etwa könnte langfristig davon profitieren, wenn andere Autohersteller die eigenen Supercharger-Tankstellen nachbauen, weil dann die eigenen Wägen eine für sie wertvolle Infrastruktur bekommen. Heute betreibt Tesla weltweit nur etwa 120 Supercharger (vier in Deutschland, zwei in Österreich), dem gegenüber stehen Millionen Sprit-Tankstellen. Außerdem will Musk die “Gigafactory” bauen und bis 2020 Akkus für 500.000 Elektroautos produzieren. Da kommt es ihm gerade recht, wenn die Autoindustrie mit Hilfe seiner Patente auf Elektro umsattelt – denn ihnen ist er ein paar Jahre in der Entwicklung voraus und kann ihnen diese Batterien im B2B-Geschäft verkaufen.

Vorne dabei am neuen Markt
Wenn der Markt für Elektroautos so wächst, wie es sich Musk vorstellt, dann ist er auch bei neuer Konkurrenz bestens positioniert: Erstens mit einem Premiumauto, das in der Liga von Mercedes und BMW mitspielt und dessen Image, Design und nobles Interieur um viel Geld an die wohlhabende Kundschaft verkauft werden kann. Und zweitens mit einem viel günstigeren Massen-E-Auto, dass Tesla in einigen Jahren um etwa 30.000 Euro (klingt viel, durch wegfallende Spritpreise aber langfristig ein spannender Preis) auf den Markt bringen will und dann in die Mittelklasse von VW Golf und Co. vorstößt.

Dieser Artikel ist zuerst
bei Netzpiloten.de erschienen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>