Like, fail und wtf: Social Media als Sprachwandler

Ok, ich muss vorab was loswerden: Wenn Menschen um mich herum – Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen – Dinge wie „What the fuck?“, „Mann, was für ein epic fail…“ oder „, „Yes, like!“ sagen, dann reißt es mich innerlich ein wenig. „Wieso müssen die wie auf Facebook reden, finden die nicht Worte in ihrer eigenen Sprache?“, schießt es mir durch den Kopf, doch ich vermeide, meine Gedanken auszusprechen. Vielleicht, weil ich glaube, es besser zu wissen: Diese und viele anderen neuen Spracherscheinungen haben weniger mit „cooler Internet-Sprache“ als vielmehr mit einem grundlegenderen Wandel unserer Gesellschaft zu tun. Lassen Sie mich erklären.

Klapprechner und Sprachpflege
„Ist die deutsche Sprache in Gefahr?“, fragte kürzlich die ZDF-Sendung „Peter Hahne“ seine beiden Studiogäste, den Blogger Sascha Lobo und Buchautor Bastian Sick („Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod“). Englische Begriffe wie googeln, downloaden oder twittern würden das Deutsche immer mehr vereinnahmen und vor allem bei älteren Menschen für Unverständnis und Missfallen sorgen, so die Grundaussage. „Wir sind seit dem Zweiten Weltkrieg kulturell und wirtschaftlich in eine ganze starke Abhängigkeit von Amerika geraten“, sagte Bastian Sick, der für deutsche Kunstwörter wie „Klapprechner“ als Ersatz für „Notebook“ eintritt. Lobo, der dem ZDF als passender Kontrahent für Sick erschien (obwohl beide eigentlich Kollegen sind und Kolumnen für Spiegel Online schreiben), widersprach dem naturgemäß und meinte: „Ich glaube, dass man akzeptieren muss, dass die Jugend einen eigenen Code entwickelt.“ Meist würden „alte Männer“ sich der „Sprachpflege“ bedienen, um fremde Einflüsse aus der eigenen Kultur herauszuhalten.

Das geht leider am eigentlichen Kern der Diskussion vorbei. Dass wir für neue Technologien, die heute eben hauptsächlich aus den USA kommen, deren Begriffe (Laptop, Smartphone, googeln, twittern, facebooken) übernehmen, ist kein großes Wunder, und dass das nicht jedem gefällt, auch nicht. Das Römische Reich hat mit seinem Latein auch unzählige andere Sprachen beeinflusst, und wenn einmal China Weltmacht Nr. 1 ist, werden sich immer mehr chinesische Begriffe in unserer Sprache wiederfinden.

Bewerten statt nur benennen
Die ZDF-Sendung hat nur an der Oberfläche gekratzt. Denn unter dieser Oberfläche (neue Begrifflichkeiten für neue Technologien) passiert etwas anderes mit unserer Sprache: Sie wird viel wertender. Kürzel, die man nur in geschriebener Form von Twitter und Facebook kennt, finden Einzug in unsere Alltagssprache. Ein paar Beispiele gefällig?

Fail: Mit dem Hashtag „#fail“, auch gerne als „#epicfail“, beschwert man sich auf Twitter über besonders schlechte Leistungen von Personen, Firmen, Institutionen. Ein „Riesen-Fail“ wird auch in der gesprochenen Sprache zunehmends zum Desaster mit epischen Ausmaßen.

wtf: Kurz für „what the fuck“. Man tut seine Verwunderung/Empörung/Entrüstung über einen bestimmten Sachverhalt kund, der meist grob negativ eingeschätzt wird. Ersetzt zunehmends das Wienerische „Des kons jetz abo ned sei!?“

ftw: Kurz für „for the win“. Ob Initiative, Musiker, Restaurant, Politiker, Idee – mit dem Kürzel wird alles und jedem weiterhin viel Erfolg gewünscht und Unterstützung zugesagt.

Like, +1: Das Liken kommt von Facebook, das Plussen von Google. Analog zu ftw kann man damit alles nur Erdenkliche mit einer positiven Bewertung konnotieren – zunehmend auch in der gesprochenen Sprache.

Wir sagen wieder, was wir denken
Zusammengenommen haben wir es also mit neuen, semi-standardisierten Formen von Bewertungen zu tun. Social-Media-Dienste wie Twitter und Facebook gewöhnen uns offensichtlich immer mehr daran, unsere Meinung öffentlich kundzutun, und das spiegelt sich in der Sprache (sicherlich noch weniger) wider – in Tweets, auf Facebook-Seiten von Politikern, Blogs wie in ganz normalen Gesprächen und im Alltag. Es ist so denkbar, dass die beschriebenen Kürzel (zusammen mit vielen anderen) zu einer Art internationalen Öffentlichkeits-Sprache werden, die man sich wie eine zweite Haut überstreifen kann – und so seine öffentliche Meinung von seiner privaten Meinung unterscheiden hilft.

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